Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name;
dein Reich komme;
dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern;
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Matthäus 6, Verse 9 bis 13

Unter der Überschrift, „Jesus frisch interpretiert“, erschien in einem bekannten
Nachrichtenmagazin vor einiger Zeit eine „Neuübersetzung“ des Vaterunser, die kein Geringerer als der Bundestagspräsident Norbert Lammert vorgenommen hatte.

Lammerts „Übersetzung“ liest sich wie folgt:

Unser Vater im Himmel!
Groß ist dein Name und heilig.
Dein Reich kommt,
wenn dein Wille geschieht,
auch auf Erden.
Gib uns das, was wir brauchen.
Vergib uns, wenn wir Böses tun
und Gutes unterlassen.
So wie wir auch denen
verzeihen wollen,
die an uns schuldig geworden sind.
Und mach uns frei, wenn es Zeit ist,
von allen Übeln dieser Welt.

Lammerts Stellvertreterin, Katrin Göring-Eckardt, von den Grünen, freute sich über Lammerts Engagement. „Es sei eine urprotestantische Haltung, biblische Texte immer wieder neu zu übersetzen und es sei mutig, dies mit einem Text zu tun, der tief im kulturellen Wissen verankert sei“, so die Präses der EKD, Göring-Eckardt.

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält die Neuübersetzung für gelungen.

Aber ist sie das wirklich? Mal ganz abgesehen davon, dass es sich hier weder um eine Übersetzung noch eine Übertragung im linguistischen Sinne, sondern allenfalls um die sehr eigenwillige Interpretation eines bereits ins Deutsche übersetzten biblischen Textes handelt.

Mit der Lammert’schen „Neuübersetzung“ des Vaterunser, die als „unproblematisch angesehen wird, weil sie zur Diskussion anrege, könne deutlich gemacht werden, dass es nicht allein den allmächtigen Gott gibt, sondern Menschen, die es in der Hand haben, etwas zu bewegen“ – so eine Kommentierung.

Hier klingt etwas vom „Seinwollen wie Gott“ an, was die Ursünde schlechthin ist.

Natürlich sind Christen auch zum Handeln aufgefordert. Zahlreiche Bibelverse bestätigen das ganz eindeutig. Allerdings geschieht dies immer mit und unter der Führung des Heiligen Geistes und nicht neben oder unabhängig von Gott, wie es die „Neuübersetzung“ impliziert.

Entsprechend werden dann auch das Kommen des Reiches Gottes und der Wille Gottes, vom Ursprungstext abweichend, uminterpretiert. Geht es in der Originalfassung um die Bitte an Gott, dass Sein Reich komme und Sein Wille geschehe, verlagert Lammert das Kommen des Reiches Gottes in den innerweltlichen Bereich.

Dem liegt die unbiblische Vorstellung zugrunde, dass es nicht Gott ist, der sein Reich, zur großen Überraschung der Menschen, anbrechen lässt, wenn nach Seinem Ratschluss, die Zeit dazu gekommen ist, sondern dass es die Menschen sind, die dadurch, dass sie Gottes Willen tun, das Reich Gottes anbrechen lassen. Kurzum: Wenn auf Erden Gottes Wille geschieht, kommt das Reich Gottes ganz von selbst.

In diesem Fall müsste man auf das Kommen des Reiches Gottes allerdings bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, weil der von Gott getrennte Mensch, das Reich Gottes nicht herbeiführen kann. Der Mensch ist, als Sünder, nicht in der Lage, den Willen Gottes zu tun. Der Mensch kann sich nur erlösen und erneuern lassen, und das Erreichen des Ziels in Gottes Hand legen.

Das Wort Gottes sagt vom Kommen des Reiches Gottes deshalb auch etwas ganz anderes:

Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.
Matthäus 24, 27

Bevor es so weit ist, kommt es allerdings zu ganz erheblichen Bedrängnissen. Die Vorstellung, dass es Menschen sind, die durch ihr Wohlverhalten das Reich Gottes verwirklichen, ist damit widerlegt. Eher verwirklichen die Menschen das Reich Satans, in dem sie die Welt, bei dem Versuch ein Paradies zu errichten, in eine Hölle verwandeln, wie es in der Weltgeschichte mehrfach geschehen ist.

Was in Lammerts „Neuübersetzung“ auch fehlt sind die Bitten, nicht in Versuchung geführt und vom Bösen erlöst zu werden.

Die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes und die Erlösung vom Bösen sind zwei Seiten einer Medaille. Am Ende des Vaterunser schließt sich deshalb der Kreis.

Denn so wie das Vaterunser mit der Bitte, „dein Reich komme“, beginnt, wird auch am Ende des Vaterunser, mit den Worten, „denn dein ist das Reich“, wieder auf das Reich Gottes verwiesen, weil zum einen mit dem Kommen dieses Reiches allem Übel, allem Bösen und allem Kampf ein Ende gemacht wird und zum anderen dieses Reich das Ziel unseres Glaubens ist.

Was deshalb vollständig fehlt, ist gerade dieser Abschluss des Vaterunser, in dem Gott die Ehre gegeben und dem Beter neu bewusst wird, dass es nicht um ein von Menschen geschaffenes Reich in dieser Welt geht, sondern allein um das vom Himmel kommende Reich Gottes, das Gott selbst, ohne menschliches Zutun, herbeiführt.

Das Vaterunser, das Jesus seinen Jüngern gelehrt hat und das auch als das „Herrengebet” bezeichnet wird, ist Wort Gottes, und es steht uns nicht zu, dieses nach Gutdünken „neu zu übersetzen“. Dieses Herrengebet beinhaltet alle Elemente eines christlichen Gebets. Ob es „mutig“ ist, sich am Wort Gottes zu vergreifen, darf auch deshalb bezweifelt werden.

Diese „Neuübersetzung“ entspricht deshalb eher dem Verhalten des „modernen Menschen“, der versucht, sich über Gott und sein Wort zu stellen und damit zeigt, dass er den heiligen und gerechten Gott nicht wirklich ernst nimmt.

Wer sich hier „mutig“ und in angeblich „urprotestantischer Weise“ dichterisch betätigt, sollte zuvor in „urprotestantischer Weise“ über diese Verse aus der Offenbarung nachsinnen:

Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott ihm seinen Anteil wegnehmen am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt, von denen in diesem Buch geschrieben steht.
Offenbarung 22, Verse 18 und 10

Diese Verse beziehen sich ursprünglich nur auf das Buch der Offenbarung. Nachdem im Wort Gottes aber alles mit allem zusammenhängt, wird diese Aussage auf die gesamte Bibel bezogen.

Dies deshalb, weil die Heilige Schrift, vom Geist Gottes inspiriert, aus wohlüberlegten Worten und sorgfältig gewählten Formulierungen besteht, die aus gutem Grund eben gerade so und nicht anders lauten und die nur so, wie sie dastehen, ergründet werden können.

Gott wacht über seinem Wort und es bringt Unsegen, dieses zu verfälschen.
Deshalb sollten wir immer genau hinschauen, weil viele Verfälschungen nur
bemerkt werden, wenn man genau hinsieht und wir möglicherweise in die Irre geführt werden, wenn wir das nicht tun.

Jörgen Bauer