Als aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer
größer wurde. nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und
sprach: ich bin unschuldig an seinem Blut, seht ihr zu! Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!

Matthäus 27, Verse 24 und 25

Die Verurteilung Jesu und seine Kreuzigung war ein einziger Justizskandal, bei dem der römische Statthalter Pilatus eine traurige Rolle spielte. Eigentlich war
das römische Reich ein ausgesprochener Rechtsstaat, dessen Rechtsgrundsätze bis heute das europäischen und deutsche Recht prägen.

Und da war es völlig ausgeschlossen einen Unschuldigen zu verurteilen, und schon gar nicht zum Tode und dazu noch brutal misshandeln zu lassen.

Die Römer hatten den Völkern, die unter ihrer Herrschaft standen, eine gewisse
Autonomie gelassen und auch Rücksicht auf die Bräuche der Völker genommen, und dazu gehörte, dass zum Passahfest in Jerusalem ein Gefangener begnadigt wurde.

Zur Auswahl standen Barabbas und Jesus. Nachdem Pilatus klar war, dass
Jesus unschuldig ist, hätte Jesus sofort freigelassen werden müssen und gar nicht zur Auswahl stehen dürfen. In den Evangelien wird uns Pilatus als eine
schwache Persönlichkeit geschildert, die sich von den Umständen treiben ließ.

Und in der Sache mit Jesus kam Pilatus in die Klemme. Wie sollte er sich
verhalten und möglichst aus allem raushalten ohne es dabei mit den Juden
zu verderben?

Pilatus war völlig klar, dass Jesus unschuldig ist. Deshalb gab es sich alle
Mühe, das Volk dazu zu bringen, dass es die Freilassung Jesu verlangte.
Die Hohepriester und Ältesten, die Jesus beseitigt haben wollten, hatten das Volk so aufgewiegelt, dass es Barabbas frei haben und Jesus gekreuzigt sehen wollte.

Die jüdische Obrigkeit verstand es die Schwäche Pilatus zu nutzen. Man machte ihm klar, dass er kein Freund des Kaisers ist – was damals ein Titel war – wenn er jemanden frei lässt, der sagt, dass er König der Juden ist und sich damit zum Widersacher und Konkurrenten des Kaisers macht, zumal die jüdische Obrigkeit erklärte, keinen anderen König als den Kaiser in Rom zu haben.

Das für Pilatus dann doch zu viel, weshalb er dem Willen des Volkes nachgab und Jesus zur Kreuzigung freigab, denn nur die Römer hatten das Recht, Todesurteile zu verhängen und zu vollstrecken.

Bevor Pilatus einknickte, tat er etwas Eigenartiges, was auf das Volk nicht ohne Eindruck bleiben konnte:

Er wusch seine Hände in Unschuld, womit er auf das Mosaische Gesetz
zurückgriff, wo solches vorgesehen war, wenn ein Erschlagener aufgefunden und der Tathergang nicht geklärt werden konnte. Die Ältesten der Stadt, die dem Tatort am nächsten lag, wuschen sich nach einem vorgeschriebenen Ritus die Hände und erklärten mit dem Tod des Aufgefundenen nichts zu tun zu haben.

Das tat auch Pilatus. Er erklärte sich für unschuldig am Tod Jesu und lud die Schuld dem Volk auf, dem er “gezwungenermaßen” zu Willen war. Das Volk nahm die Schuld, mit der törichten Aussage: “Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder”, bereitwillig auf sich, weshalb die Juden schon bald als
die Mörder Jesu bezeichnet wurden.

Das Zugeständnis, “sein Blut komme über uns und über unsere Kinder”, hat sich schon kurz danach und später bis in unsere Zeit, auf schreckliche Weise erfüllt.

Konnte sich Pilatus auf diese Weise aus der Verantwortung stehlen? Ich denke,
dass er es sich damit zu einfach gemacht hat. Als römischer Statthalter hätte
er ohne Weiteres durchgreifen und sofort für Recht und Ordnung sorgen können, ohne sich auf weitere Diskussionen einzulassen.

Dass er das nicht tat, führte dazu, dass die labile Haltung des Pilatus von
den Hohepriestern und Ältesten in hinterhältiger und heuchlerischer Weise ausgenutzt werden konnte.

Ich denke aber, dass dies alles dem Plan Gottes entsprach, weil nur ein erkennbar Unschuldiger, auf dem nicht der geringste Schatten einer Schuld lag, zum Lamm Gottes werden konnte, das die Sünde der Welt trägt.

Jörgen Bauer