Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auf
fahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt
werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Jesaja 40, Vers 31

Dieser Vers hört sich etwas vollmundig an. Sollte das wirklich so
einfach sein? Auf den Herrn harren und schon läuft alles wie
geschmiert?

Haben wir nicht auch schon Gegenteiliges erlebt, dass alles an-
ders kam, trotz allen Harren und Hoffens? Und hat uns das Har-
ren und Hoffen auf Gott wirklich unseren Zielen näher gebracht?
Kann man durch Hoffen und Harren nicht auch zum Narren wer-
den, wie ein geflügeltes Wort sagt?

Der Prophet Jesaja hat diese Aussage in einer Zeit gemacht, in der
tatsächlich wenig Grund zur Hoffnung bestand. Die Juden hatten
den Zusammenbruch ihres Reiches erlebt, befanden sich im baby-
lonischen Exil und wünschten sich heimkehren zu können.

Bemerkenswert ist, dass Jesaja gerade in einer solchen hoffnungs-
losen Zeit auf Gott verweist, in der alles Hoffen und Harren vergeb-
lich scheint. Aber warum sollten Hoffen und Harren auf Gott gerade
jetzt neue Kräfte freisetzen? Hört sich das nicht nach einer „billigen Durchhalteparole“ an?

Ich denke nicht, dass es hier um eine „Durchhalteparole“ geht, denn
der heutige Vers liegt auf der biblischen Linie, wonach dass Vertrauen
auf Gott und die Gemeinschaft mit IHM Segen bewirkt und das
genaue Gegenteil eintritt, wenn man das nicht tut und stattdessen
auf schlechte Ratgeber hört.

Und genau das war damals geschehen.

Aber jetzt war die Zeit gekommen, dass Jesaja im Auftrag Gottes
dem Volk wieder Hoffnung machen und es ermutigen konnte, sich
neu auf die Kraft Gottes zu besinnen, von der sich das Volk
selbst abgeschnitten hatte.

Und wie wir wissen, konnten die Juden bald darauf in ihr Land zurück-
kehren, nachdem es zu politischen Veränderungen gekommen war.

Dass diese Geschehnisse schon länger zurückliegen, ändert nichts an
der Aktualität des heutigen Verses. Denn hoffnungslos
scheinende Situationen gibt bis heute, weshalb zu fragen ist,
welche Erkenntnisse wir daraus ziehen können.

Diese könnten so aussehen:

Weil im Hoffen und Harren auf Gott die alles umfassende Wirklichkeit
Gottes in das Denken und Handeln miteinbezogen wird, kommt es zu
einer „Bewusstseinserweiterung“ im positiven Sinne,
die zu einem vorausschauenden Planen und Tun befähigt, wobei
neue Möglichkeiten erkannt werden, was ohne Vertrauen auf Gott
nicht möglich wäre.

Und dadurch wird Gott letztlich erfahrbar und der Glaube gestärkt.

Wenn wir das erkennen, können wir trotz aller Bedrängnisse,
denen wir wegen unseres Bekenntnisses ausgesetzt sein können,
trotz aller gegen das Christentum gerichteter Entwicklungen und
sonstiger Widrigkeiten, die das Leben mit sich bringt, zuversichtlich
und fröhlich bleiben, weil Gott den Weg für uns weiß und zur rechten
Zeit hilft, so wie ER es zugesagt und immer auch getan hat.

Und das gilt selbst noch dann, wenn unsere letzte Stunde in
dieser Welt und Zeit angebrochen ist. Das Wort Gottes gibt
uns auch hier tröstende, stärkende und verheißungsvolle Zusagen,
die alles andere als Durchhateparolen sind.

Das Sterben ist dann kein „hoffnungsloser Zustand mehr, bei
dem alles zu spät ist“, sondern das Tor ins ewige Leben. Und das
gibt uns auch dann einen Halt, wenn ein uns Nahestehender aus
dieser Welt abberufen wird.

Solchen Glauben können wir nicht selbst wirken, sondern uns nur
immer wieder schenken lassen und der heutige Vers ermutigt dazu,
uns immer wieder für Gott, sein Wort und seine Gaben, im Gebet
und in der Beschäftigung mit seinem Wort, zu öffnen.

Jörgen Bauer