Seht aber zu, dass diese eure Freiheit für die Schwachen nicht zum Anstoß wird! Denn wenn jemand dich, der du die Erkenntnis hast, im Götzentempel zu Tisch sitzen sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da er doch schwach ist, verleitet, das Götzenopfer zu essen? Und so wird durch deine Erkenntnis der Schwache zugrunde gehen, der Bruder, für den doch Christus gestorben ist.
Wenn ihr aber so sündigt an den Brüdern und verletzt ihr schwaches Gewissen, so sündigt ihr an Christus.

1. Korinther 8, Verse 9-12

Die Frage war, ob ein Christ von dem Fleisch essen darf, das zuvor im
Götzentempel den Götzen geopfert wurde.

Das sah so aus, dass ein Teil des Fleisches verbrannt und der Rest gegessen bzw. auf dem Markt verkauft wurde. Nebenher waren die Götzentempel Gasthäuser, in denen man ebenfalls das Götzenopferfleisch essen konnte.
(Im Übrigen stammte damals alles Fleisch, das zum Verkauf angeboten wurde,
aus kultischen Schlachtungen.)

Und tatsächlich könnte man hier Bedenken haben. Mit etwas, was den
Götzen geweiht war, darf ein Christ doch nichts zu tun haben. Oder doch?

Der Apostel Paulus sah das, hinsichtlich der Freiheit, die wir in Christus haben, pragmatisch:

“Fleisch bleibt immer nur Fleisch. Egal von woher kommt. Außerdem gibt es
keine Götzen. Das Fleisch kann bedenkenlos, selbst im Götzentempel-Gasthaus, gegessen werden. Das Einzige was ein Christ nicht tut, ist am Götzendienst selbst teilzunehmen.”

Aber nicht jeder Christ in Korinth hatte die Freiheit und die Glaubensstärke, das so zu sehen.

Manch einer, der vor seiner Bekehrung selbst am Götzendienst
teilgenommen hatte, konnte hier nicht zwischen dem Götzendienst und dem
Opferfleisch trennen. Das Essen von Götzenopferfleisch wäre für ihn immer Götzendienst geblieben.

Zwar geht es heute nicht mehr um Götzenopferfleisch, aber um jede Menge anderer Fragen, die auf dieser Linie liegen.

Vor Jahren ging es mal darum, ob die Kirche Geld für einen wohltätigen
Zweck annehmen darf, wenn es von den Damen des Rotlichmilieus gespendet wird.

Das wurde damals mit der Begründung abgelehnt, dass es sich dabei um “sündigen Hurenlohn” handele. Aber seit wann stinkt Geld? Und wie ist es mit Geld, das aus legalen, aber dennoch “unchristlichen” Geschäften stammt?
Von Schwarzgeld und dergleichen gar nicht erst zu reden.

Ziemt es sich, bei einer christlichen Zusammenkunft alkolische Getränke
zu konsumieren? (Mir fiel schon immer auf, dass bei christlichen Veranstaltungen nie derartige Getränke angeboten werden.) Darf man
einem Christen – trotz des Weinwunders zu Kana – überhaupt solcherart Getränke anbieten oder ihm gar eine Flasche Wein schenken?

Darf ein Christ Soldat oder Politiker werden? Ja, müsste er nicht sogar aus einer unchristlich gewordenen Kirche austreten?

Diese Fragen sollen jetzt nicht beantwortet werden. Sondern nur soviel:

Auch in Glaubensdingen geht es darum die Schwachen zu schützen, eines
der “Roten Linien” der Bibel, und letztlich mündet dies wieder in die Frage
ein, wie verhalte ich mich als Christ? (Abgesehen davon gibt es auch in der Welt das Rechtsprinzip den Schwachen vor dem Starken zu schützen.)

Wobei ich die Frage, wie man sich als Christ verhält, jetzt mehr an kleinen, alltäglichen Dingen festmachen möchte. Da ist der Fall denkbar, dass ein Mitchrist Alkoholprobleme hat, die ich selbst nicht habe. Ist es da richtig, in seiner Gegenwart alkoholische Getränke zu mir zu nehmen? Und vielleicht sollte man überhaupt niemanden auf den Geschmack bringen.

Oder ich habe kein Problem damit, zum “Tanz in den Mai” zu gehen. Der andere sieht das als ein “weltliches Vergnügen an, das von Christus trennt”. Was tue ich? Überrede ich ihn mitzukommen?

Der eine hat keine Probleme, während das Gewissen eines anderen belastet wird. Und hier darf der Starke im Glauben, den Schwachen nicht in
Glaubenszweifel und Anfechtung bringen, indem er etwas tut, was der Schwache als Sünde ansieht.

Denn das könnte dazu führen, dass der Schwache vom Glauben abfällt, weil er den Eindruck hat, dass der Glaube nicht ernstgenommen wird, woraus er schließt dass der Glaube letztendlich doch keinen Wert hat.

Verführt der Starke den Schwachen zu etwas, was dieser als Sünde ansieht, so haben beide gesündigt. Der Schwache, weil er gegen sein Gewissen gehandelt hat indem er bewusst etwas tat, was er als Sünde ansieht und ihm dadurch zu Sünde würde und der Starke, weil er den Schwachen dazu verführt hat.

Die Liebe zum schwachen Bruder oder zur schwachen Schwester gebietet es deshalb, sich in zweifelhaften Fällen zurückzuhalten, was schwer fallen kann.

Immer ist auch die Wirkung auf Nichchristen zu bedenken. Denn auch Nichtchristen können ein schwaches Gewissen haben. Typische Reaktion:
“Der will Christ sein und tut dies und das? Der Glaube hat also doch keinen Wert!”

Insgesamt handelt es sich hier um ein heikles Thema, wo sich auch die Frage
stellt, wo jeweils die Grenzen der Anpassung zu ziehen sind. Was ist wirklich Sünde, und wo ist es nur ein übertrieben, überempfindliches Gewissen, das gekräftigt werden müsste?

Wir können Gott hier nur um Weisheit bitten, damit wir das Richtige tun und das Falsche lassen.

Jörgen Bauer