Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

Psalm 103, Verse 15 und 16

Ganz in unserer Nähe befindet sich der Hohenstaufen. Er ist einer der Kaiserberge, die der Schwäbischen Alb vorgelagert sind. Auf der Höhe des Berges befindet sich die Ruine des Stammschlosses der Staufer, die einst über ein gewaltiges Reich herrschten.

An der Ruine ist eine Tafel mit Jahreszahlen angebracht. Dort liest man, dass
die Burg um 1070 erbaut wurde. Im 12. Jahrhundert, also 1100 und nochwas, wurde sie umgebaut, 1319 vom Grafen Eberhard von Württemberg und
anschließend 1360 von Kaiser Karl IV. belagert und erobert um dann 1525
im Bauernkrieg endgültig platt gemacht zu werden, wobei es bis heute geblieben ist.

Solche Angaben machen mich immer nachdenklich.

Wenn man die Jahreszahlen liest, hat man zunächst den Eindruck, “das war
alles damals”. Beim genauen Hinsehen wird deutliich, dass es von 1070 bis
1360, 300 Jahre sind. Fast ebenso lang wie vom Ende des 30jährigen Krieges bis heute, was ca. 360 Jahre sind und für unser Verstehen weit zurück liegt.

Innerhalb von 300 Jahren sind viele Generationen geboren und gestorben, die sich überhaupt nie kennengelernt haben, und die alle ihr individuelles Schicksal
hatten, das, außer Gott, niemand kennt, und so geht das bis heute fort.

Wie kurz ist doch ein Menschenleben, wenn man die geschichtlichen Abläufe und die Abläufe in der Natur bedenkt. Im Jahre 1986 befand sich der
Halleyische Komet in Erdnähe. Im Jahre 2061 wird es wieder soweit sein. Das werde ich schon nicht mehr erleben.

Im Jahre 1956 erlebte ich eine totale Sonnenfinsternis. Es hieß dann, dass die nächste im Jahre 1999 sein wird. Für mich war das damals ein unvorstellbar langer Zeitraum. Und nun liegt das Jahr 1999 auch schon wieder weit zurück.

Es ist so wie es im Psalm 103 gesagt wird: Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, und wenn der Wind darüber geht, ist er nicht mehr.

Weltreiche und Menschen, die sich für großartig, einmalig und bedeutsam halten und hielten, kommen und gehen, bleiben nur für kurze Zeit und werden vergessen, so als wenn es sie nie gegeben hätte.

Was interessiert uns heute noch das Tun der Staufer? Selbst wenn sie durch ihr Wirken Bausteine für die Welt geliefert haben, in der wir heute leben und sie somit Teil einer (“endlosen”) Kausalkette aus Ursache und Wirkung sind, haben sie doch nichts geliefert was Ewigkeitswert hätte.

Das Ende eines Jahres sollten wir nicht in einer ausgelassenen-karnevalistischen Weise, wie es die Art der Heiden ist, sondern besinnlich verbringen, Gott danken, dass er uns bis heute bewahrt und geleitet hat, über Zeit und Ewigkeit nachsinnen und dabei zwischen Wichtigem und Unwichtigem, zwischen letzten und vorletzten Dingen unterscheiden.

Denn ewig, ohne Anfang und Ende ist nur Gott, der auch als Herr der Zeit
über allem steht.

Menschliches Wesen,
was ist’s gewesen?
In einer Stunde
geht es zugrunde,
sobald das Lüftlein des Todes drein bläst.
Alles in allen
muss brechen und fallen,
Himmel und Erden
die müssen das werden,
was sie vor ihrer Erschaffung gewest.

Alles vergehet,
Gott aber stehet
ohn alles Wanken;
seine Gedanken,
sein Wort und Wille hat ewigen Grund.
Sein Heil und Gnaden,
die nehmen nicht Schaden,
heilen im Herzen
die tödlichen Schmerzen,
halten uns zeitlich und ewig gesund.

Kreuz und Elende,
das nimmt ein Ende;
nach Meeresbrausen
und Windessausen
leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht.
Freude die Fülle
und selige Stille
wird mich erwarten
im himmlischen Garten;
dahin sind meine Gedanken gericht’.

Paul Gerhardt

Jörgen Bauer