Der Menschensohn ist ein Herr über den Sabbat.

Matthäus 12, Vers 8

Ich hatte erst kurz den Führerschein als ich Post von einer Bußgeldstelle bekam:

Ich hatte in der Nähe von Künzelsau an einem Stoppschild nicht angehalten,
sondern war, “einfach so”, von einer Nebenstraße kommend, in eine Haupt-
straße eingefahren.

Der “Tatort” befand sich außerhalb einer Ortschaft, im flachen Land, mit
weiter Fernsicht nach allen Seiten, und zum Tatzeitpunkt – es war ein Sonntagvormittag – war weit und breit kein Auto zu sehen, und bis heute ist mir unklar, wer die Tat beobachtet hat. Es muss ein auf der Lauer liegender “Sherriff” gewesen sein, denn ein solcher war als “Tatzeuge” angegeben.

Für mein “sündhaftes Tun” musste ich eine “Pflichtspende”, von damals 10 DM, löhnen, was anno 1968 noch ein nennenswerter Betrag war.

Jesus, dessen Tun mit meiner Verkehrssünde natürlich in keiner Weise vergleichbar ist, erregte den Unmut der Pharisäer, weil er von den Pharisäern geschaffene zugespitzte Formalvorschriften verletzt hatte.

Die Spitzfindigkeit der Pharisäer ging so weit, dass sie zusätzlich zu den Geboten, und damit auch zum Sabbatgebot, ein umfangreiches Regelwerk konstruiert hatten, wodurch es möglich war, auch das Ährenraufen am Sabbat, ebenso wie das Heilen eines Kranken, als Verletzung des Sabbatgebots zu deuten.

Ährenraufen ist so wie Ernten, und das war am Sabbat verboten und Heilen
war eine ärztliche Tätigkeit und damit ebenfalls Arbeit. Hier durfte nur bei
akuter Lebensgefahr geholfen werden.

Gläubige Juden sehen das bis heute ganz ähnlich: Das Einschalten des Fernsehers wird als unzulässige Arbeit angesehen. Aber Fernsehen möchte man auch am Sabbat. Die Sünde der Sabbatschändung – nach dem mosaischen Gesetz ein todeswürdiges Vergehen – lässt sich aber ganz einfach vermeiden: Der Fernseher schaltet sich am Sabbat, entsprechend vorprogrammiert, von selbst an.

Diese Art von Heuchelei hat Jesus stets auf das Schärfste angeprangert und verurteilt. Jesus stellte das Sabbatgebot nicht infrage, machte aber klar, dass es hier nicht um das Einhalten spitzfindiger Formalien geht, sondern dass nach dem Sinn des Sabbatgebots gefragt werden muss.

Und da geht es zuerst um den Gottesdienst, wobei das Sabbatgebot nie über den menschlichen Grundbedürfnissen stehen kann, zumal das ursprüngliche mosaische Gesetz, Ausnahmen zugelassen hatte. Auch Liebe und Barmherzigkeit sind erlaubt. Und darunter fällt das sofortige Heilen eines
Kranken, was Jesus ganz bewusst tat um zu zeigen, dass ER, als Sohn Gottes
über dem Sabbat steht.

Die Pharisäer hatten hingegen ihre starren Regeln verselbständigt und damit über den Sabbat gestellt, was sie unbarmherzig und lieblos werden ließ.

Das Prinzip, nach dem Sinn von Gesetzen zu fragen und diese dementsprechend anzuwenden, ist ein Grundsatz, der bis heute gilt, wobei es Bereiche gibt, wo Formalien eingehalten werden müssen, wenn man an Spiel- und Verfahrensregeln, Normen und ähnliches denkt.

War der “Sherriff” von damals ein “Pharisäer”? Immerhin hätte er ja wegsehen können. Ich denke nicht! Denn wenn man einmal damit anfinge, es dem Einzelnen zu überlassen, wann er das Einhalten einer Regel als notwendig ansieht, hätten wir bald ein Chaos.

In anderen Ländern mag das mit der “kreativen Anwendung” von Verkehrsregeln funktionieren, aber wir Deutschen brauchen nun mal unsere Ordnung und Verkehrsbehörden, die für uns, in Gestalt eines Schilderwaldes, denken. Und da weichen wir selbst dann nicht ab, wenn wir den Verkehrstod
vor Augen haben. (fiktive Grabsteininschrift: “Hier ruht einer, der die Vorfahrt hatte.”)

Was aber nottut ist, sich in Liebe und Barmherzigkeit üben und, wenn es niemandem schadet, auch großzügig zu sein. Daran wollen wir am Anfang der neuen Woche, mit ihren Belastungen und Spagaten, denken und Gott um Weisheit und Verstand bitten.

Jörgen Bauer