Meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt, und wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt.

Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.

Jakobus 1, Verse 2 und 12

Wie man Anfechtungen als „Freude“ erachten kann, bleibt mir, ehrlich gesagt, schleierhaft. Anfechtung bedeutet doch, dass man in eine Glaubenskrise gerät. Krisen sind mit Zweifeln und einer inneren Zerissenheit verbunden, und das ist alles andere als angenehm.

Einen nahezu klassischen Fall für eine Anfechtung beschreibt der Psalm 73. Dem Psalmisten macht es große Not, dass es den Gottlosen so gut geht, während das Leben für ihn, als einen, der sich zu Gott hält, nichts als Nöte und Mühsal bereithält.

Und das ist nicht neu. Auch die Christen unserer Tage können ins Grübeln kommen, wenn sie sehen, dass diejenigen, die ohne Gott leben, (scheinbar) erfolgreicher sind, während ihnen, als Christen, trotz regelmäßigen und ehrlichen Betens und dem Hören auf das Wort Gottes, vieles versagt bleibt.

Da kann durchaus die Frage aufkommen, ob es überhaupt einen Gott gibt und ob es nicht doch so ist, wie die Ungläubigen behaupten, dass die Christen Tagträumer sind, die einer Einbildung, einem Phantom, nachlaufen und „Glaubenserfahrungen“ eher so etwas wie ein Placeboeffekt sind.

Und wenn es dann noch zu einer persönlichen Katastrophe kommt, kann es auch hier zu der Frage kommen: „Warum lässt Gott das (ausgerechnet bei mir*) zu?“ Bis zu Abkehr von Gott ist es dann oft nur ein kleiner Schritt.

(*Die Frage könnte aber auch sein: “Warum ausgerechnet bei mir nicht?!”)

Diese Nöte und Zweifel muss man Ernst nehmen. Die lassen sich nicht so einfach mit Bibelversen und „frommen Sprüchen“ aus der Welt schaffen. Eine Krise muss durchstanden werden, und in einer Krise geht es immer um Sein oder Nichtsein. Das ist bei einer Glaubenskrise nicht anders als bei einer Krankheitskrise.

Eine Krise ist immer dann gut ausgegangen, wenn man haarscharf am Abgrund vorbeigeschrammt ist. Wurde die Krise in dieser Art gemeistert, ist man hinterher ein anderer Mensch, der durch die Krise positiv verändert wurde und damit einen bleibenden Gewinn gemacht hat.

Hier wird dann verständlich, warum in den heutigen Versen von der Freude und dem Lohn für die Bewährung die Rede ist.

Mancher meint, dass es ohne Anfechtungen gar kein echtes Glaubensleben geben könne, weil das Fehlen von Anfechtungen zeige, dass man den Glauben nicht wirklich ernst nimmt.

Mit solchen Aussagen wäre ich allerdings vorsichtig.

Der Schreiber des Psalm 73 überwindet die Anfechtung dadurch, dass sein Blick gewendet und geweitet wird. Er schaut auf das, was letztendlich wirklich zählt, und das ist nicht das Vergängliche, sondern das, was ewig währt. Und da merkt er, dass er mit dem Vertrauen auf Gott das bessere Teil erwählt hat und dass er gut daran tut, Gott weiterhin die Treue zu halten.

Und in diesem Sinne ermahnt uns auch das Neue Testament:

Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Korinther 4, 17 und 18)

Deshalb wollen wir unser Vertrauen, welches eine große Belohnung hat, nicht wegwerfen, sondern auf Jesus Christus, als den Anfänger und Vollender unseres Glaubens schauen, wie es im Brief an die Hebräer geschrieben steht.

Und der Blick weg von mir und meinen Problemen, hin auf Christus, hat auch mir schon aus mancher üblen Lage herausgeholfen.

Und was für uns tröstlich ist:

Auch unser Herr Jesus Christus blieb von Anfechtungen nicht verschont (Lukas 22, 28 und Hebräer 2, 18), und weil er erfahren hat, wie das ist, konnte er zu unserem mitfühlenden Heiland werden, der uns helfen kann, wenn wir in Anfechtung und Versuchung fallen.

Jörgen Bauer