Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Psalm 90, Vers 12

Dass wir sterben müssen, wissen wir. Das muss man uns nicht sagen. Aber was wissen wir nicht alles, ohne dass es uns besonders berühren würde. Erst dann, wenn es soweit und vielleicht schon zu spät ist, kommt das Erschrecken.

Am 18. November war Volkstrauertag, an dem der Toten nicht nur der beiden Weltkriege gedacht wird. Nachdem ich eine Funktion beim VdK habe, war ich, wie jedes Jahr, bei der offiziellen Feierstunde und Kranzniederlegung dabei.

Wir leben jetzt in einer langen Friedensperiode und können uns überhaupt nicht vorstellen, was es bedeutet in ständiger Todesgefahr zu leben und nicht zu wissen, ob man den jeweiligen Tag überlebt.

Aber auch ohne Krieg, Unfälle und Naturkatastrophen ist das Leben von Anfang an “lebensgefährlich”, weshalb wir am Morgen nie wissen, wie es am Abend sein wird. Vielleicht entwickeln die Menschen, die sich in ständiger Todesgefahr befinden, hierfür ein besonderes Bewusstsein.

Was ich nicht gut finde, sind floskelhafte, politisierende Allgemeinplätze, die die jeweils als korrekt geltende Sichtweise wiedergeben.

Denn eigentlich müsste den Anwesenden etwas ganz anderes gesagt werden, als die üblichen humanitätsgesättigten Reden, nämlich dass unsere Gottesferne die Ursache für alles Leid in der Welt ist, weshalb Umkehr nötig ist. Und die Buße beim einzelnen und seinen Beziehungen, zu seinen Mitmenschen, anfängt.

Zudem sollten wir Gott bitten, dass Er uns rechtzeitig bewusst macht, was Sterben bedeutet, damit wir vorbereitet sind, wenn es soweit ist. Denn: Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht (Hebräer 9, 27).

Können wir von uns sagen: “Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich werd’ zum Himmel eingehn?”

Statt nach dem zu fragen, was ewig währt, befasst man sich mit allerlei
nichtigen Dinge und macht diese zum Lebensinhalt, anstatt Schätze im
Himmel zu sammeln.

Dem Psalmisten ist deshalb daran gelegen, bei all seinem Tun immer seine Endlichkeit und damit die Vorläufigkeit seiner Unternehmungen im Blick zu haben, damit er Wichtiges von Unwichtigem, vorletzte von letzten Dingen zu unterscheiden lernt.

Dem Psalmisten geht es um die Klugheit, die darin besteht, während seines Lebens immer wieder zu fragen, was dann noch und damit wirklich zählt, wenn er sein Leben von dessen Ende her betrachtet.

Es gibt Berichte, auch über Gläubige, die im Angesicht ihres bevorstehenden Sterbens, auf ihr Leben zurückblickten und dabei jede Menge Versäumnisse entdeckten, ja sogar meinten am Leben vorbei gelebt zu haben und ihrer eigentlichen Berufung nicht gerecht geworden zu sein.

Dieser Eindruck ist sicher nicht falsch, weil wir, als geborene Sünder, allesamt nicht unserer eigentlichen Berufung entsprechend leben, die wir, infolge unserer Verkehrtheit, auch gar nicht erkennen. Denn unsere eigentliche Berufung wäre, zur Verherrlichung Gottes zu leben.

Erst wenn es ans Sterben geht, verändert sich der Blickwinkel, und da tritt das, was wirklich wichtig gewesen wäre, besonders deutlich hervor. Aber nun kann nichts mehr nachgeholt oder gutgemacht werden.

Und so werden wir mit leeren Händen vor Gott stehen. Etwas, was selbst ein Martin Luther am Ende seines Lebens bewusst wurde.

Wie gut, wenn man auch noch in dieser Lage auf Jesus blicken und seine Vergebung in Anspruch nehmen kann, um als begnadigter Sünder angenommen zu werden. Wir wollen uns aber auch zeigen lassen, was zu
tun ist, um zur Ehre Gottes zu leben.

Jörgen Bauer