Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

Römer 7, Verse 18 und 19

Ich war früher kein gläubiger Mensch, sondern ein rechter Atheist. Aus Langweile nahm ich eines Tage die “Gute Nachricht” zur Hand, die mir ein
Pfarrer geschenkt hatte, nachdem ich mich dort recht lästerlich geäußert
hatte.

Zufällig – oder war es Gottes Führung? – schlug ich die Seite mit dem heutigen Vers auf und blieb an diesem hängen. Der Vers traf mich so tief, dass ich tagelang keine Ruhe fand, denn ich hatte mich in diesem Vers selbst wiedererkannt.

Was wollte ich alles Gutes tun, und was kam tatsächlich heraus?

Sollte Paulus mich etwa gekannt haben und diesen Vers nur wegen mir
geschrieben haben? So jedenfalls kam mir das vor. Und wie konnte ein
so “frommer Mann”, wie Paulus, überhaupt so etwas schreiben?

Mir wurde dann nach und nach klar, dass in diesem Vers – wobei es sich
empfiehlt den gesamten Abschnitt zu lesen – eine absolute Wahrheit steckt.
Das bewirkte dann bei mir eine Umkehr.

Denn hört man die Leute so reden, dann wollen alle immer nur das Gute und
Beste. Die Eltern, Lehrer, Chefs, Politiker usw. Und es wäre eine große und
schlimme Beleidigung von jemandem zu behaupten, dass er das Böse tut.
Und glaubt man den Todesanzeigen und Reden auf Beerdigungen, dann sterben immer nur herzensgute Menschen.

Demnach müsste die Welt ein einziges Paradies sein. Ist sie aber nicht. (Das könnte natürlich auch daran liegen, dass immer nur die Guten sterben und die Bösen ewig leben und damit in der Überzahl sind. Aber das scheint mir dann doch etwas unwahrscheinlich zu sein.)

Paulus erkennt unsere Lage als Menschen, die darin besteht, dass wir zwar die besten Absichten haben, dann aber doch nicht so handeln, wie es vollkommen und richtig wäre, sondern dass wir uns bei allem, was wir tun, immer selbst die Nächsten sind und unseren eigenen Willen durchsetzen wollen.

Unsere Selbsteinschätzung hört sich dann so an: “Ich bin ja ein ganz passabler und guter Mensch. Natürlich habe auch ich meine kleinen Schwächen und Fehler, aber wer ist schon perfekt?” Und genau das ist es, weshalb wir vor Gott nicht bestehen können. Und das hat Paulus klar und deutlich erkannt, weshalb er den Blick von sich weg auf Jesus Christus richtet.

Übrigens hielt sich auch Stalin (ehemaliger Jesuitenschüler) für einen “guten Menschen”. Wie überliefert ist, ging er während des 2. Weltkrieges, jeden Tag in die Kremlkapelle, wovon nur sein Leibwächter wusste. Es scheint allerdings nicht viel genützt zu haben.

Und was heißt das für uns?

Auch wenn es keine Verdammnis für die gibt, die in Christus Jesus sind – und
das war Paulus auch – wie es in Römer 8, 1 heißt, ist das kein Grund, sich
selbstzufrieden zurückzulehnen, weil wir aus unserer menschlichen Natur nicht
herauskönnen, sondern nach wie vor zu der Haltung neigen, wie sie Paulus
in Römer 7 beschreibt.

Paulus erkennt, dass er sich selbst nicht erlösen kann, und für uns heißt das, dass auch wir uns nicht zu besseren Menschen machen können. Und wir tun sicher gut daran, wenn wir die guten Seiten an unseren Mitsündern würdigen und die Harmonie nicht dadurch stören, dass wir deren Mängel hervorkehren.

Wir müssen auch unsere Schwächen und Mängel nicht an die große Glocke
hängen. Wir sollen sie aber im stillen Kämmerlein, im Gebet, unserem Herrn
Jesus Christus hinlegen, um Vergebung und um den Beistand seines Geistes
bitten, damit es besser mit uns werden kann.

Jörgen Bauer