Wo viel Worte sind, da geht’s ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen
im Zaum hält, ist klug.

aSprüche 10, Vers 19

Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.

Matthäus 5, Vers 37

In der Zeit vor Wahlen, und auch danach, wenn sie nicht so wie erwartet
ausgegangen sind, fehlt es nicht an vielen, großen und gleichzeitig leeren Worten. Jeder, der einigermaßen bei Verstand ist – und ich hoffe sehr,
dass hierzulande alle bei Verstand sind – weiß, dass man solche Worte
nicht unbedingt ernst nehmen und glauben sollte, und ich könnte mir
vorstellen, dass dies die Redner auch wissen.

Eigentlich ist das sehr schlimm, dass sich ein guter Redner aufs Lügen verstehen muss, wobei man Lügen natürlich nicht als solche bezeichnet.
Das wäre eine Beleidung und zudem unklug.

Man spricht deshalb besser von “Taktieren” bzw. “Wahlkampftaktik”, was soviel heißt, dass Dinge geschönt und weggelassen, kurzum “passend gemacht” werden, wobei auch eine halbe Wahrheit immer eine ganze Lüge ist. Ich selbst sage dazu, “kreativer Umgang mit der Wahrheit”.

Wie viel Energie und Erfindungsreichtum wird doch in das Lügen und in die Lüge investiert!

Das Täuschen, Irreführen und das taktische Verdummen mit Halbwahrheiten kann man in entsprechenden rhetorischen Schulungen erlernen, wozu gehört,
dass der potentielle Lügner lernt, wie man den Vorwurf, gelogen zu haben, ganz entschieden von sich weist und stattdessen den Belogenen als “dumm” hinstellt “der nicht imstande war ihn zu verstehen bzw. seinen genialen Gedankengängen zu folgen”. Und weil niemand gern als dumm dastehen möchte, wird dann auch nicht weiter widersprochen.

Ich denke aber, dass es nicht gerecht wäre, ausschließlich auf die Politiker und
Wahlkampfredner unserer Zeit zu weisen und sie des Taktierens zu bezichtigen. Einfach deshalb, weil sich jeder, dem die Lenkung oder Leitung von Menschen obliegt, des taktischen Umgangs mit der Wahrheit nicht entziehen kann. Es sei er riskiert es verprügelt oder sonst wie “abgeschossen” zu werden.

Und wenn man an die Werbung und die vielen Versprechungen denkt, die gemacht werden – und sich dazu an die eigene Nase fasst – wird zum einen klar, dass dies noch gar nie anders war und zum anderen, dass dies jeden von uns betrifft. Man denke nur an die eine oder andere “Stimmtischrede” oder sonstige “vollmundige Verlautbarung”.

Ich hoffe inständig, dass wir uns hier alle den Spiegel des Wortes Gottes vorhalten lassen, uns dabei selbst erkennen und zudem akzeptieren, dass wir uns auch ganz gerne selbst belügen lassen. Von Natur aus lieben wir die Lüge.
Der Fürst und heimliche Herrscher dieser Welt, der viele Menschen fest im Griff hat, wird von Jesus nicht umsonst als Vater der Lüge bezeichnet.

“Die Welt will betrogen sein”, besagt ein klassisches Zitat, und weiter:
“Also betrügen wir sie!”

In welchem Kontrast dazu steht Jesus, der die Wahrheit in Person ist und der will, dass die Seinen auch aus der Wahrheit sind! Die nicht viel Worte machen, aber in dem, was sie sagen, die Wahrheit sagen. Wobei Jesus weiß, dass die
Wahrheit von keinem gern gehört wird, weshalb die Wahrheit die Feindschaft der Welt zur Folge hat.

Mein früherer Pfarrer sagte uns Konfirmanten: “Merkt euch eines: alles
können die Menschen vertragen, nur eines nicht, und das ist die Wahrheit!” Die Richtigkeit dieser Aussage kann man täglich überprüfen, wobei dann gern
mit der Aussage, “das ist deine Wahrheit”, gekontert wird.

Um die Wahrheit zu sagen und um zur Selbsterkenntnis zu kommen, bedarf es eines ungewöhnlich hohen Maßes an Verstand, Weisheit und vor allem Mut, alles das, was wir von Natur aus nicht haben, um das wir aber täglich bitten dürfen. Auch um Vergebung, wo wir versagen.

Jörgen Bauer