Aber, HERR, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. Siehe, meiner Tage sind einer Hand breit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! (Sela.) Sie gehen daher wie ein Schemen und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln, und wissen nicht, wer es einnehmen wird. Nun, Herr, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.

Psalm 39, Verse 5 – 8 (Luther 1912)

Jedem sei ein in jeder Beziehung glückliches und erfolgreiches Leben gegönnt, auf das nicht der geringste Schatten fällt. Auch wenn wir wissen, dass das unmöglich ist und bleibt, hindert uns das nicht daran, solches, zum Beispiel Geburtstagskindern – oder Freunden und Bekannten, heute Nacht 24:00 Uhr,
bezüglich des Neuen Jahres – zu wünschen.

Aber was wäre, wenn ein solcher Wunsch, der eines glücklichen und erfolgreichen Lebens tatsächlich in Erfüllung ginge? Wären wir dann wirklich restlos glücklich?

Mir fällt hierzu der chinesische Kaiser Qin Chi Huangdi ein, der ein Heer von 7000 individuell gestalteten Tonsoldaten, mit Pferden und Kutschen, herstellen ließ, die ihn im Tod begleiten sollten.

Der Überlieferung nach hatte der Kaiser ein überaus glückliches Leben, auf das nur ein Schatten fiel, nämlich das Wissen um das eigene Sterben. Dieses wollte er durch eine Grabbeigabe, als Abbild seines diesseitigen glücklichen Lebens, umgehen. Er glaubte damit sein gewohntes Leben im Jenseits fortsetzen zu können.

Und wie man hört, ist Qin Chi Huangdi kein Einzelfall. Die Menschen suchen weiterhin danach, den Tod aus eigener Kraft, mit technischen oder medizinischen Mitteln, entweder hinauszuschieben oder gar endgültig zu besiegen. Bislang ohne Erfolg. Und wie es aussieht, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.

Und wenn sich daran nichts ändern lässt, dann möchte man wenigstens Spuren hinterlassen, sich ein bleibendes Denkmal setzen. Aber auch das
ist vergebliche Mühe, denkt man an die Reden bei Verabschiedungen, die schnell vergessen sind. Alles das spricht lediglich dafür, dass der Mensch
eine Sehnsucht nach Ewigkeit hat.

Und genau das ist der springende Punkt.

Denn seit dem Augenblick, als uns erstmals bewusst wurde, dass wir einmal sterben müssen, sitzt uns dieses Wissen ständig im Nacken. Und das auch dann, wenn wir gar nicht bewusst daran denken.

Deshalb können wir auch in den glücklichsten und seligsten Augenblicken unseres Leben nie wirklich restlos glücklich sein, weil wir das Wissen um die Vergänglichkeit aller Dinge, einschließlich des eigenen Lebens, stets im Hinterkopf haben.

Die Bibel spricht vom Schatten des Todes (Matthäus 4,16), und die Schreiber der Bibel, die sich, geleitet vom Geist Gottes, mit ihrer Vergänglichkeit auseinandersetzen, nehmen diesen Schatten bewusst wahr, wobei sie das vergängliche Wesen unserer Welt und ihr eigenes Sterben einkalkulieren, was als Klugheit bezeichnet wird.

Klugheit, weil sie dazu verhilft, die richtigen Maßstäbe zu setzen und die Dinge des Lebens, im Hinblick auf das eigene Ende, in eine Rangordnung zu bringen.

Das Wort Gottes öffnet dabei den Blick für die Ewigkeit und lässt erkennen, auf was es letztlich ankommt. Aus diesem Erkennen erwächst die große Hoffnung der Christen, die stärkt, zum Tun befähigt und die Schatten des Todes und Vergänglichkeit verblassen lässt, weil diese nicht mehr das letzte Wort haben.

Wie arm und getrieben muss der sein, der diese Hoffnung nicht hat und deshalb alles in dieses Leben hineinpacken und neben dem Schatten des Todes noch zusätzlich die Angst haben muss, etwas verpasst zu haben?

Viele übergehen das, indem sie sich auf Erden so einrichten, als wenn es für die Ewigkeit wäre. Der Gedanke an den eigenen Tod wird dabei verdrängt, auf Beerdigungen geht man nur ungern und an den Tod zu erinnern gilt als unfein, und damit zeigt man, dass man gerade nicht klug ist.

Der Psalmist geht dem nicht aus dem Wege, sondern fragt, wessen er sich angesichts seiner Vergänglichkeit und damit seiner letztlich vergeblichen Mühen trösten soll. Seine Frage konnte damals noch nicht in der Klarheit, wie sie nach der Auferstehung Jesu möglich wurde, beantwortet werden.

Trotzdem tut der Psalmist das Richtige, wenn er Gott seine Not hinlegt und darauf vertraut, dass ER die Antwort weiß.

Wie gut haben wir es heute, dass wir die Antwort in der Auferstehung Christi und in seiner Zusage haben, gleich IHM aufzuerstehen um an einer überaus herrlichen Wirklichkeit teilzuhaben, welche die Knechtschaft des vergänglichen Wesens, wie die Schrift sagt, nicht mehr kennt.

Dadurch bekommt das Wissen, dass in der Welt alles vergänglich ist und alles vorübergeht, sogar etwas Tröstliches, weil wir das Beste und Schönste noch vor uns haben.

Allen Leserinnen und Lesern danke ich für ihre Treue und wünschen allen
ein gesegnetes und friedvolles Jahr 2020.

Jörgen Bauer