Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.

Galater 5, Vers 1

Ich beginne mit einem “praktischen Fall”:

“Charlotte wurde von ihrem Mann geschlagen. Tagsüber plante sie ganz genau, was sie tun oder nicht tun wollte, damit sie nicht geschlagen wurde, wenn ihr Mann abends von der Arbeit nach Hause kam. Doch immer wieder machte sie etwas falsch (ein falscher Satz, eine Geste, ein Gesichtsausdruck), und der Missbrauch begann. Er fiel über sie her, beschimpfte sie und schlug sie schließlich mit der bloßen Hand, doch nur an Körperstellen, wo ihre Verletzungen nicht zu sehen waren.

Eines abends war der Missbrauch so schlimm, dass der neunjährige Sohn aus dem Haus rannte. Der Vater schrie er solle bleiben, doch ein Nachbar rief die Polizei, die den Mann verhaftete.

Charlotte ging zu den Gemeindeleitern. Sie erzählte ihnen von dem Missbrauch. Die Gemeindeleiter hörten eine Weile mitfühlend zu und antworteten dann: „Wenn du deinen Mann verlässt, stellst du dich außerhalb des Willen Gottes. Du musst bleiben.“ Sie sagten auch ihr Sohn sei ungehorsam gewesen. Er hätte auf seinen Vater hören müssen, der die Verantwortung für ihn hat. Charlottes Fall ist kein Einzelfall sondern nur ein Beispiel für das, was viele Opfer durch Missbrauch der Bibel erlebt haben.”

Quelle:„Geistlicher Missbrauch – die zerstörende Kraft der frommen Gewalt“, Autoren: David Johnson und Jeff Van Vonderen, ISBN 3-89490-144-6.

Kennzeichen von geistlichem Missbrauch in Familien und Gemeinden, sind z.B. unausgesprochene Regeln, an die sich jeder hält, obwohl sie nicht offen formuliert werden. So gibt es Gemeindeleiter die Macht ausüben, indem sie keine Kritik und keine kritischen Fragen zulassen und jeden, der dagegen verstößt, vor der Gemeinde bloß stellen.

So darf z.B. über bestimmte Dinge nicht offen gesprochen werden, man ist unehrlich zueinander und heuchelt sich etwas vor. Wer bestehende Probleme anspricht, gilt als Unruhestifter und wird entsprechend diszipliniert, in dem ihm scheinbar passende Bibelsprüchen vorgehalten werden, die, entsprechend gesetzlich missbraucht, in die bestehende Situation „passen“ und den „Anklägern“ scheinbar recht geben.

Anstelle die Menschen zu Christus und zu einem eigenen Glaubensleben zu leiten, binden Gemeindeleiter Menschen an sich, machen diese abhängig und bringen sie durch Manipulation, Druck und Demütigung dazu, sich in der gewünschten Weise zu verhalten.

In einer Ausgabe von ideaSpektrum kam ein Bericht über eine junge Frau, die vom Glauben abgefallen ist. Geprägt wurde sie in freikirchlich-
charismatischen Kreisen, wo es darum ging, auf krasse Weise “Gott zu erleben”, was zu einem zwanghaften Denken und später in eine Depression
führte.

Zuvor hatte sie sich zu einem Missionseinsatz in Australien gemeldet, bei dem es nur um Zahlen ging. Wie viele kamen in die Versammlungen, wie viele hatten sich bekehrt usw.? Dazu wurden Listen angefertigt und in einer Art Schneeballsystem Bekehrungsziele vorgegeben. Widersprach man, wurde auf den Willen Gottes und die Demut verwiesen, die man als Christ an den Tag zu legen hatte.

Es gibt tatsächlichen einen unguten Fundamentalismus, der von den Gegnern des Christentums dann in gröblicher Weise verallgemeinert wird.

Im weltliche Bereich kennen wir das als die indirekt vorgeschriebene Meinung des “political correctnes”, wo Abweichler ebenfalls unter Druck gesetzt und diffamiert werden.

Das sollte es unter Christen nicht geben. Wenn doch, dann muss hier ebenso energisch widersprochen werden, wie in politischen Dingen und gegenüber Irrlehren.

Jörgen Bauer