Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.

1. Korinther 13, Verse 8 und 9

Diese Verse schließen sich an das “Hohelied der Liebe” an und bezeugen,
dass die Liebe (im Urtext Agape = göttliche Liebe) das Entscheidente ist,
die über aller Erkenntnis steht, die immer nur Stückwerk sein kann.

Deshalb ist es richtig auf die unvergängliche (göttliche) Liebe und nicht auf das
immer lückenhaft bleibende Wissen und Erkennen zu setzen, das vielleicht
intellektuell befriedigt, aber das Herz, als den eigentlichen Wesenskern des
Menschen, unerfüllt und unbefriedigt lässt.

Wie viel unnützer Streit, wie viel Mord und Totschlag, hätten vermieden werden
können, wären diese Verse beherzigt worden.

Stattdessen hat man sich in unnützen Streitereien und Rechthabereien
zerschlissen.

Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen haben Streitigkeiten nie zu wirklichen Fortschritten geführt, also nichts geändert und zum anderen hat sich an der menschlichen Streitlust nichts geändert.

Was bedeutet das für uns?

Heißt das, alle Irrlehren unkritisch hinzunehmen und alles “so stehen zu lassen”, um “lieblosen” Auseinandersetzungen von vornherein aus dem Wege zu gehen?

Ich denke, dass das so nicht zu verstehen ist!

Ich verstehe das so, dass wir bei allen glaubensmäßigen Überzeugungen, die wir nicht aufgeben dürfen und zu denen wir fest stehen und zu denen wir uns bekennen sollen, offen bleiben müssen.

Offen deshalb, weil wir unsere glaubensmäßigen Überzeugungen niemals
beweisen können. Es könnte demnach auch alles ganz anders sein. Glauben heißt somit, dass wir nicht im Schauen leben, sondern auf das Unsichtbare vertrauen. Und das trotz aller Glaubenserfahrungen, die uns gewiss machen.

Der gottferne Mensch bringt das auf die Formel: “Glauben heißt nicht wissen!”

An sich ist das ein dümmlicher Spruch, denn alles, was wir wissen, glauben wir.
Wir glauben unter anderem das, was uns Eltern, Lehrer und Lehrmeister beigebracht haben, und wir überzeugen uns, ganz sicher, nicht persönlich
von alledem, was wir gehört oder gelesen haben.

Und das sollte uns bescheiden und tolerant machen. Toleranz kommt von
tolerare = ertragen und bedeutet nicht, alles zu relativieren, sondern das Akzeptieren von Anschauungen, die man selbst nicht teilt, von denen der
Andere aber ebenso überzeugt ist, wie wir von unseren Anschauungen.

Worin wir uns deshalb ständig üben sollten ist, den Andersdenkenden und Andersartigen mit den liebenden Augen Gottes zu sehen und entsprechend zu agieren ohne dabei die eigene Glaubensüberzeugung zu leugnen. Das ist die einzige Methode die bleibenden Erfolg verspricht.

Jörgen Bauer