Darum, wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.

1. Korinther 10, Vers 12

Dieses Wort ist eine ernste Mahnung an jeden von uns. Ganz vereinfacht könnte man auch sagen: Ein jeder kehre zuerst vor seiner eigenen Türe! Paulus schrieb diesen Satz einst an die Gemeinde in Korinth, die manches
recht locker sah und, insbesondere den Paulus, auch gern kritisierte.

Sind wir in diesen Dingen heute anders?

Das heutige Wort fordert uns zur Selbstprüfung auf. Wir sollen uns fragen,
ob und inwieweit wir selbst in Gefahr sind vom rechten Weg abzukommen,
was sehr schnell gehen kann. Und dafür gibt es viele Beispiele. Also nicht ständig auf die anderen, sondern auch auf sich selbst achthaben.

Wie viele talentierte Menschen standen schon in der Reich-Gottes-Arbeit, fingen äußerst vielversprechend an, waren das, was man “erfolgreich” nennt und dann, ganz schleichend, kam es zur Selbstgefälligkeit, zur Selbstgerechtigkeit und zur Unduldsamkeit gegenüber anderen.

Hier wird vielleicht verstehbar, warum Gott auch die Seinen nicht immer vor Nöten und Bedrängnissen verschont. Dadurch soll uns immer wieder klar werden, nicht wir sind die Macher und Könner, sondern Gott ist es, der uns Segen und Gelingen schenkt.

Es müssen nicht die “schlimmen Sünden” und “bösen Versuchungen” sein, denen wir erliegen. Der Fall beginnt schon an dem Punkt, wo wir zum Beispiel meinen “viel besser und anständiger”, als dieser oder jener “Sünder”, zu sein. Der Gedanke, “lieber Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin, wie dieser XY”, schwingt bei uns, ohne dass wir es uns eingestehen wollen, unterschwellig sehr oft mit, wenigstens ein klein bischen.

Das heißt nicht, dass Missstände oder Fehlentwicklungen nicht beim Namen genannt werden dürften – ganz im Gegenteil. Aber wir sollten nicht so tun,
als wenn uns das alles nichts anginge und wir nicht auch irgendwie beteiligt wären. Wenn wir uns hier auch als Betroffene fühlen und mit einschließen, können wir ganz anders und viel überzeugender argumentieren.

Ein Pfarrer erteilte mal den guten Rat: Bevor wir uns über das Verhalten eines anderen erregen, sollen wir uns besinnen, wann wir uns selbst ganz genau so verhalten haben. Das fällt sehr schwer und ich gebe zu, mich meistens viel zu wenig zu besinnen. Aber man sollte immer wieder damit anfangen, bis es vielleicht mal zu einer Art Gewohnheit wird.

Sehr interessant ist im übrigen die Formulierung, die der Apostel gebraucht.
Er schreibt nämlich, wer meint, wobei die Betonung auf “meint” liegt. Demnach ist die Selbsteinschätzung, dass ich fest stehe, nur eine persönliche Meinung, die einer objektiven Prüfung nicht standhielte. Jedenfalls nicht in den Augen Gottes.

Der Apostel sieht das sehr realistisch. Man denke hier nur an den, sich so selbstsicher gebenden Petrus, der in Angst geriet und Stein und Bein schwor, Jesus überhaupt nicht zu kennen. Die Hähne auf den Kirchturmspitzen erinnern an die Verleugnung des Petrus und mahnen bis heute dazu, hinsichtlich seiner Selbsteinschätzung vorsichtig zu sein.

Letztlich gilt aber auch hier, dass es nicht wir selbst sind, auf die wir schauen müssen, sondern, dass wir auf Jesus Christus schauen und dass es Gott ist, der uns trägt, der uns aufhilft, wenn wir fallen und der zum Wollen das Vollbringen schenkt.

Jörgen Bauer