Dort schrien die einen dies, die andern das, und die Versammlung war in Verwirrung, und die meisten wussten nicht, warum sie zusammengekommen waren.

Apostelgeschichte 19, Vers 32

Der Altbundespräsident Johannes Rau, der den Spitznamen “Bruder Johannes” trug, beantwortete die Frage nach dem Verlauf einer Sitzung einmal damit, dass er lapidar, “Apostelgeschichte 19, Vers 32”, sagte.

Wenn man den Verlauf mancher Bundestagssitzung verfolgt, könnte man
zu dem Eindruck kommen, dass dies häufiger vorkommt, insbesondere
wenn man erfährt, dass viele Parlamentarier über Dinge abstimmen, bei
denen sie überhaupt nicht wissen, um was es geht.

Bei meiner früheren Tätigkeit, bei der ich viel mit der Auslegung und Anwendung schlampig gemachter, sich in der Rechtssystematik widersprechender Gesetze zu tun hatte, wurde mir ofmals schmerzlich bewusst, dass es nur so sein kann, dass gedankenlos abgestimmt wird.

Wir trösteten uns damit, dass auch das seine Vorteile hat, denn man kann nichts mehr falsch machen: Man muss nur solange suchen, bis man die “richtige Begründung”, für das, was man zu tun gedenkt, gefunden hat.

In einer Zeit, in welcher der Relativismus hoch im Kurs steht, wo es angeblich
kein Richtig und kein Falsch gibt, wo man sich nicht festlegen, sondern alles
offen halten möchte, muss man sich nicht wundern, wenn auch die Gesetze
voll mit gummiartigen Formulierungen, wie “man soll”, “man kann”, “in begründeten Ausnahmefällen”, “in der Regel” usw. usf. sind.

Beliebt sind auch “Fiktionen”. Man tut hier so, als wenn etwas so wäre, wie es tatsächlich nicht ist. Damit kann man unerwünschte Folgen einer Rechtsvorschrift kompensieren. Und da gibt es dann die fiktiven Arbeits- und
die fiktiven Versicherungsverhältnisse, aus denen sogar Beiträge zu zahlen sind. Das führt zu Problemen, wenn die Tatsachen im Gegensatz zur Fiktion stehen und man nicht weiß, was nun gelten soll.

Das ist weit weg von der Forderung Jesu: “Eure Rede sei Ja,ja, Nein, nein,
alles andere ist von Übel”.

Hier erkennt man, wie man es nicht machen soll. Und deshalb sollten wir als
Christen, wenigstens in unserem persönlichen Umfeld, eine klare Linie vertreten und durchhalten, auch dann, wenn man der “Rechthaberei” bezichtigt wird, weil man einen klaren Standpunkt vertritt und sich für eine geäußerte Ansicht nicht gleich wieder entschuldigt oder diese relativiert.

Der heutige Vers steht in der Apostelgeschichte unter der Überschrift
“Der Aufruhr des Demetrius”. Den Goldschmieden in Ephesus, die als Souverniers Nachbildungen des dortigen heidnischen Dianatempels gewinnbringend verkauften, wurde durch das Evangelium das Geschäft
verhagelt, was diese nicht so ohne Weiteres hinnehmen wollten.

Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die Verkündigung des Evangeliums auch in unserer Zeit eine Wirkung wie damals in Ephesus hätte, die darin bestehen könnte, sich nicht nur klar und verbindlich zu artikulieren, sondern auch das zu tun, was man gesagt hat.

Jörgen Bauer