Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm.
Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Matthäus 5, Verse 1 bis 12

Die obigen Verse sind den meisten bekannt und werden als “Bergpredigt”
bezeichnet, was nicht korrekt ist. Die Bergpredigt umfasst die Kapitel
5, 1 bis 7, 29 des Matthäusevangeliums, wobei die obigen Verse als die
“Seligpreisungen” bezeichnet werden.

Die Bergpredigt wird auch als die “Magna Charta” des Königreichs der Himmel
bezeichnet. Im staatsrechtlichen Sinn ist die “Magna Charta”, “die große Urkunde der Freiheiten”, welche als Mutter der Menschenrechte gilt. Ihren Ursprung hat sie in England und ist jetzt 800 Jahre alt.

Aus Vers 1, wo es heißt, dass Jesus, als ER das Volk sah, auf einen Berg
ging, also entwich, sich setzte und seine Jünger zu IHM traten und aus Vers 2, wo es heißt, dass ER seinen Mund auftat und sie lehrte, ist ganz klar zu entnehmen, dass sich die Bergpredigt nicht an das Volk, sondern an die Jünger richtet, was von denen, die in der Bergpredigt ein politisches Manifest oder Programm sehen, gern übersehen wird.

Es war damals üblich, dass sich ein Lehrer zum Lehren setzte und dabei von seinen Schülern umgeben war. In dieser Haltung konnte man schlecht eine
Volksrede halten.

Die Gegenstände der einzelnen Seligpreisungen lassen zudem erkennen, dass
es hier um Themen geht, von denen in allererster Linie Jünger Jesu betroffen
sind, und das bis heute. Nach den Seligpreisungen geht es dann damit weiter, dass die Jünger Salz und Licht der Welt sind.

Martin Luther hat in seiner sehr lesenswerten Zwei-Reiche-Lehre, in der es zum einen um das Reich Gottes und zum anderen um das Reich der Welt geht, zutreffend und zeitlos gültig, festgestellt, dass sich beides nicht vermengen lässt, weil für beide Reiche andere Regeln gelten.

Dazu gehört, dass sich die Welt nicht mit dem Evangelium regieren lässt, was die Bergpredigt mit einschließt, die sich damit nicht als politisches Programm eignet, was natürlich niemanden daran hindern soll, sich sanftmütig, barmherzig und friedfertig zu verhalten oder als Politiker christlichen Grundwerten Geltung zu verschaffen. Aber ein “Gottesstaat” ist nicht möglich.

Die Jünger Jesus sind damit bis heute die aus der Welt Herausgerufenen, die sich in ihrem persönlichen Leben dadurch von der Welt unterscheiden sollen, dass sie sich an den Aussagen der Bergpredigt orientieren.

Jörgen Bauer