Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden.

Römer 11, Vers 22

Ich erinnere mich hier an meinen früheren Religionslehrer, der gerne die Geschichte von den drei Professoren erzählte, bei denen er studierte.

Der eine war nur streng und auf Disziplin bedacht. So stellen sie manche Leute Gott vor.

Der andere war nur gutmütig. Er hatte für alles Verständnis. Bei ihm konnte man machen, was man wollte. Er war immer lieb und gut. Das ist das Gottesbild, das heute Konjunktur hat.

Der Dritte war beides: Freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Aber streng und konsequent, wenn das ausgenutzt und Regeln nicht eingehalten wurden.

Genauso, wie diesen dritten Professor, stelle er sich Gott vor, meinte mein Religionslehrer, und der Blick auf den obigen Vers zeigt, dass er damit so falsch nicht lag, auch wenn dieser Vers im Römerbrief in einem anderen Zusammenhang steht, in letzter Konsequenz aber auf das Gleiche hinausläuft.

Und damit macht diese Bibelstelle eines klar und deutlich:

Das Gerede vom „lieben Gott“ der nichts anders kann, als nur „lieb und gut“ zu sein, ist frommer Selbstbetrug und wie einer bemerkte „die größte Lüge der Kirche“.

Bei dieser Art von Selbstbetrug, wird immer dort, wo es eigentlich um Sündenerkenntnis und Umkehr von falschen Wegen oder um eine klare Entscheidung geht – die immer auch eine Scheidung beinhaltet – auf diesen „lieben Gott“ zurückgegriffen, der für
alles liebevolles Verständnis hat und überall dabei ist, wo es
um „Liebe“ geht.

Wobei sich der vieldeutigen Begriff „Liebe“ an menschlichen Vorstellungen orientiert. Ein in dieser Art „liebender Gott“ ist „pflegeleicht“ und „bequem“ und kann bei Bedarf jederzeit aus
der Schublade gezogen werden. Damit erweist sich dieser „liebe Gott“ als eine Wunschvorstellung.

Im Deutschen haben wir für „Liebe“ nur einen Begriff. Im Griechischen gibt es für „Liebe“ mehrere unterschiedliche
Begriffe, wobei im griechischen Urtext des Neuen Testaments
für Liebe immer das Wort „Agape“ steht, was soviel wie
„göttliche Liebe“ bedeutet, die sich von menschlicher Liebe fundamental unterscheidet.

„Agape“ ist die völlig selbstlose und vorbehaltlose Hingabe, die den Sünder, um seiner selbst Willen, liebt, aber der Sünde unversöhnlich gegenübersteht.

Als Sünde wird die Trennung von Gott bezeichnet. Sie entspricht unserem natürlichen Zustand und besteht darin, dass wir nicht nach Gott fragen, sondern tun, was uns selbst recht dünkt, was letztlich die Ursache allen Übels in der Welt ist.

„Sünde“ muss nicht bedeuten, dass man schlimme Dinge tut. Aber es bedeutet, dass ein nach bürgerlichen Maßstäben „anständiges Leben, bei dem man sich nichts zu Schulden kommen lässt“, es aber ohne Gott lebt, noch lange kein „sündloses“ Leben ist, wie das manche glauben.

Entscheidend ist, an was wir uns gebunden haben. An Gott
und sein Wort, als der Quelle allen Lebens oder an andere
Dinge, die von Gott und damit dem Eigentlichen, dem ewigen Leben, wegführen?

Die Liebe Gottes will uns dazu bringen, dass wir unsere wirkliche Lage erkennen, damit ER uns aus gottwidrigen Bindungen herauslösen kann, die uns bereits in diesem Leben belasten
und am Ende in den ewigen Tod führen.

So wie manche ärztliche Behandlung, kann auch das sehr schmerzhaft sein und sich anfangs so gar nicht nach Liebe anfühlen. Aber es ist lebensrettend.

Wer bei dieser Güte, die uns Gott angedeihen lässt, verbleibt, sich also „therapieren“ lässt, hat davon einen großen Gewinn. Wer die Hilfe ausschlägt, wird am Ende das schreckliche Gericht Gottes über die Sünde, mit der er sich identifiziert hat, an sich selbst erfahren.

Und davor will uns Gott in seiner Liebe und Güte bewahren.

Jörgen Bauer