Aber die Söhne Elis waren ruchlose Männer; die fragten nichts nach dem HERRN. So war die Sünde der Männer sehr groß vor dem HERRN; Eli aber war sehr alt geworden. Wenn er nun alles erfuhr, was seine Söhne ganz Israel antaten und dass sie bei den Frauen schliefen, die vor der Tür der Stiftshütte dienten, sprach er zu ihnen: Warum tut ihr solche bösen Dinge, von denen ich höre im ganzen Volk? Nicht doch, meine Söhne! Das ist kein gutes Gerücht, von dem ich reden höre in des HERRN Volk. Aber sie gehorchten der Stimme ihres Vaters nicht; denn der HERR war willens, sie zu töten.

1. Samuel 2, Verse 12,17, 22 bis 25

Diese Geschichte ist mir noch gut aus der Christenlehre bekannt. Der Religionslehrer erklärte uns damals, dass der Priester Eli dadurch versagte, dass er seinen Söhnen gegenüber nicht durchgriff, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, sondern dass
er es bei halbherzigen Ermahnungen beließ und damit das Tun seiner Söhne duldete.

Die Lehre, die aus dem heutigen Text zu ziehen ist, ist von zeitloser Gültigkeit und nach wie vor hochaktuell. Sie besagt nichts anderes, als dass diejenigen, denen Macht. im positiven Sinne, übertragen ist, schuldig werden, wenn sie diese nicht ausüben.

Wer die ihm verliehene Macht nicht gebraucht, schafft damit ein Machtvakuum, das von anderen, in einer unguten Weise, gefüllt wird.

Im Alltag würde das sofort schmerzlich spürbar, wenn z.B.
die Staatsmacht nicht mehr dem Bösen und der Unordnung wehren würde oder wenn in einem Betrieb, die Betriebsleitung versagen und jeder in die eigene Tasche wirtschaften würde
oder wenn Eltern ihren Kindern keine Grenzen aufzeigen.

In unserer Zeit neigt man zur Humanitätsduselei. Es geht nach dem Motto, allen wohl und niemand wehe. Man ist tolerant, versucht alles zu entschuldigen und zu verharmlosen, belässt
es bei Ermahnungen und Absichtserklärungen. Man ist konfliktscheu und vermeidet es, für klare Linien zu sorgen.
Wer das trotzdem versucht, eckt an.

Auch Eli war konfliktscheu. Er wusste zwar ganz genau, dass seine Söhne Unrecht taten und er missbilligte das auch, aber
er sah tatenlos zu und duldete damit deren Tun. Dadurch
wurde er schuldig vor Gott.

Zwischen “tatenlos zusehen” und “tatenlos zusehen”, besteht insoweit ein Unterschied, als zu fragen ist, ob jemand könnte, wenn er wollte oder ob jemand unmittelbar, kraft eines Amtes, zum Tun verpflichtet ist. Im letzteren Fall ist die Schuld größer. Ebenso ist es die Frage, um welches Rechtsgut es geht. Geht
es nur um eine Formalie oder um etwas existenziell Bedeutsames?

Der heutige Text lehrt dass Pflichtverletzungen Gericht Gottes nach sich ziehen. Das kann darin bestehen, dass Dinge total danebengehen und es zu chaotischen Zuständen kommt, es
kann aber auch sein, dass Gott selbst unmittelbar eingreift.

Hier stellt sich an uns die Frage: Schauen wir auch tatenlos zu, obwohl wir zum Handeln verpflichtet wären?

In Sachen Eli und seiner Söhne hatte Gott bereits entschieden und alle drei dahingegeben. Gottes Gericht bestand darin, dass Gott keine Umkehr mehr zuließ. Das ist schreckliches Gericht Gottes, das die Schrift, in dieser Form, immer wieder bezeugt.
Es kann ein Punkt erreicht sein, ab dem Gott nicht mehr ansprechbar ist. Davor möge uns Gott bewahren.

Jörgen Bauer