Ich sprach in meinem Zagen:
Alle Menschen sind Lügner.

Psalm 116, Vers 11

Kann man dieser Aussage, dass alle Menschen Lügner sind, zustimmen?
Persönlich bejahe ich diese Frage, weil die Lüge viele Gesichter hat, und ich mich davon selbst nicht ausschließe.

Neben der groben Lüge, bei der falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt oder Tatsachen verdreht oder geleugnet werden, gibt es das weite Feld der Halbwahrheiten und des Schönredens.

Ich will nicht behaupten, dass die Menschen immer ganz bewusst lügen, sondern dass sie die Dinge so schildern, wie sie glauben, sie erlebt zu haben, weshalb Zeugenaussagen zu den unsichersten Beweismitteln zählen.

Mir ist deshalb klar geworden, warum Behörden für alles Urkunden und Beweise brauchen, weil man den Leuten tatsächlich nichts glauben kann. Ich denke dabei an die vielen Schilderungen, die ich mir während meines Beruflebens schon angehört habe, die immer im Brustton der Überzeugung vorgetragen wurden, sich dann aber als unwahr herausstellten.

Denken wir mal an die Schilderung eigener Erlebnisse. Dabei werden wir, ganz automatisch, die Dinge so schildern, dass wir dabei ein gutes Bild abgeben. Selbstverschuldete Fehler und Reinfälle werden nicht erwähnt. Denken wir nur an unsere Urlaubsschilderungen!

Ein anderer großer Bereich sind die Lebenslügen, bei denen die gesamte Existenz auf Lügen aufbaut, und wo alles zusammenbräche, wenn diese ans Licht kämen. Zu denken ist hier an gefälschte Lebensläufe und Zeugnisse oder Straftaten, die nicht aufgedeckt wurden.

Lebenslügen sind ein beliebtes Thema für unterhaltsame Fernsehfilme, wo es in der Regel um un- oder außereheliche Kinder oder verflossene Liebschaften geht, die man besser ruhen ließe.

Bei Lügengespinsten wird deutlich, dass ein sehr großer Aufwand getrieben werden muss, um Lügen, von denen niemand etwas wissen darf, am Leben zu erhalten. Für den Lügner eine ständige Belastung, insbesondere wenn er befürchten muss, dass sich diese als Druckmittel eignen würden. Eine kleine Unaufmerksamkeit, und alles fliegt auf.

Welch eine Wohltat, wenn ein Lügner alles eingestehen kann, er Vergebung erlangt und einen Neuanfang geschenkt bekommt.

Im Psalm 116 , der unter der Überschrift “Dank für Rettung aus Todesgefahr”, steht, geht es darum, dass der Psalmist, vermutlich infolge menschlichen Fehlverhaltens, in schwerste Bedrängnis und Todesgefahr geriet, wobei er alles Vertrauen verlor und die Menschen nur noch als Lügner erlebte.

Ein solcher Vertrauensverlust ist ein schlimmer Zustand, vor dem es auch heute keinen wirksamen Schutz gäbe.

Aber jetzt kommt die erstaunliche Wende, die immer Rettung aus der Not bedeutet: Der Geplagte wendet sich an Gott, und Gott hilft heraus, und der Psalm endet mit Dank und Lob zur Ehre Gottes.

Jörgen Bauer