Gerecht vor Gott

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Was bedeutet es eigentlich, „gerecht vor Gott“ zu sein? Vielleicht hilft diese Szene, um es besser zu verstehen: Ein Mann fällt ins Wasser und beginnt verzweifelt zu schwimmen. Er strampelt, rudert, hält den Kopf gerade so über Wasser. Nach ein paar Minuten ruft er: „Ich schaffe das!“ Zehn Minuten später geht ihm die Kraft aus. Genau in dem Moment, als er unterzugehen droht, kommt ein Rettungsring geflogen. Stolz wirft er ihn erst weg – schließlich hat er ja bisher auch selbst geschwommen. Kurz darauf greift er doch zu.

„Gerecht vor Gott“ sein – das klingt für viele abgehoben und nach einer Mischung aus Anstrengung, Moral und innerer Selbstkontrolle. Wer ein guter Mensch ist, sich genug bemüht oder genug glaubt, der müsste doch vor dem Urteil Gottes bestehen können.

Aber das wäre Selbstrettung. Und das ist keine Sicherheit vor Gott. Der Mensch, der Gott aus eigener Kraft gefallen will, bleibt innerlich mit einer Restunsicherheit. Er weiß nie, ob es reicht. War ich heute geduldig genug? Ehrlich genug? Glaubensstark genug?
Diese Unsicherheit ist nicht harmlos. Sie frisst Vertrauen auf. Denn wer nie weiß, wo er steht, kann keine „rechtes Herz zu Gott“ haben. Damit ist gemeint, dass man nie richtig fokussiert auf Gott oder orientiert in Gottes Richtung sein kann. Statt Nähe entsteht Scheu. Statt Vertrauen wächst Angst.

Das ist psychologisch gut nachvollziehbar. Beziehungen funktionieren nicht, wenn man ständig um Anerkennung zittern oder etwas leisten muss. Wer immer denkt, der andere könne sich jederzeit abwenden, wird vorsichtig, angespannt oder zieht sich zurück.

Wenn ein Mensch den Punkt erreicht, an dem er ehrlich vor Gott steht, muss er eine harte Wahrheit akzeptieren: Leben und Werke reichen nicht aus, um zu bestehen. Das grundlegende Problem ist die Unwiderruflichkeit unserer Fehler. Wir können sie weder ungeschehen machen noch den Schaden vollständig beheben.

Es ist wie bei einem gebrochenen Knochen: Er heilt vielleicht, aber er wird nie wieder der alte sein. Oder wie bei verschüttetem Wasser: Was einmal aus dem Eimer ist, lässt sich nicht mehr Tropfen für Tropfen zurücksammeln. Der Urzustand ist unwiederbringlich verloren.

Die Bibel nennt diesen Zustand das „Gesetz“. Das Gesetz ist die Diagnose, nicht die Heilung. Es zeigt uns glasklar, was „gut“ ist – und beweist uns gleichzeitig, dass wir es verfehlen bzw. was nicht heil ist. Es wirkt wie ein Spiegel. Er zeigt uns die ungeschminkte Wahrheit über unser Gesicht. Doch so sehr wir auch hineinsehen – der Spiegel selbst kann uns nicht reinigen. Er offenbart das Problem, aber er rettet uns nicht.

Jede Leistung kann somit infrage gestellt werden. Jede Frömmigkeit kann zerbrechen. Wer seine Hoffnung auf sich selbst setzt, baut auf beweglichem Boden. Und genau deshalb endet dieser Weg entweder in Hochmut („Ich schaffe das!“) oder in Verzweiflung („Ich schaffe es nie.“). Beides hält nicht stand.

Wenn wir also merken, dass wir selbst wacklig sind, brauchen wir einen Halt außerhalb von uns – einen sogenannten sicheren Grund. Martin Luther nennt ihn „die ewige Gerechtigkeit Christi“.

Das klingt im ersten Moment vielleicht abstrakt, meint aber etwas sehr Befreiendes. Es ist die Gewissheit, dass mein Wert nicht mehr von meiner schwankenden Tagesform oder meinen Fehlern abhängt. „Ewige Gerechtigkeit“ bedeutet hier, ich bin gut genug. Nicht weil ich alles richtig mache, sondern weil Christus für mich einsteht und Gott mich einfach so für „Gerecht“ erklärt. „Gerecht“ bedeutet „alles ist gut zwischen uns“. Das ist ein Fundament, das bleibt – ganz egal, wie sehr ich selbst gerade herumstolpere oder mich selbst sehe.

Diese Gerechtigkeit ist außerhalb unserer Reichweite, außerhalb unseres Einflusses. Niemand kann sie zerstören, relativieren oder wegnehmen.

Der Prophet Jeremia bringt das auf den Punkt: „Der HERR ist unsere Gerechtigkeit“ (Jeremia 23, 6). Nicht der Mensch arbeitet sich zur Gerechtigkeit hoch. Sondern Gott selbst stellt sie dem bereit, der Gottes Angebot der Vergebung annimmt.

Sich auf Christus zu verlassen, bedeutet, den Anker zu werfen. Nicht unsere Leistung hält uns, sondern seine Treue. Diese Gewissheit, d.h. das sichere Wissen, ist der Startschuss für ein mutiges Leben: Statt im Strom der Erwartungen mitzuschwimmen oder sich von den Launen anderer treiben zu lassen, gewinnst du Standfestigkeit. Du wirst von einem Getriebenen zu einem, der den Kurs bestimmt. Denn wer fest steht, kann anderen Halt und Hoffnung geben.

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Und dies wird sein Name sein, daß man ihn nennen wird: Der HERR unsre Gerechtigkeit.

Jeremia 23, 6