Bibel richtig lesen

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Neulich unterhielt ich mich mit jemanden über die Frage, wie geht Bibel richtig lesen und wie spricht sie zu einem. Ich stellte mir vor, ich öffne sie – und plötzlich sitze ich im dritten Jahrhundert vor Christus. Und wenn ich vor Christus bin, dann sollte ich zuerst einmal zuhören. Die Bibel ist kein Geschichtsbuch, sondern ein Anruf. Du nimmst ab, sagst „Hallo“, und lässt den anderen reden und hörst, was der Anrufer möchte. Damit aus einem dicken Buch eine Stimme wird, die zu dir spricht, sind Ohren und ein paar einfache Schritte hilfreich. Du musst dazu kein Profi oder Theologe sein. Also los geht’s.

In Johannes 8 läuft’s so: Die Leute wollen erst wissen, wer Jesus ist – Name, Titel, Beweis. Jesus dreht es um und sagt sinngemäß: Hört zuerst, was ich sage.

Du lernst einen Menschen nicht, indem du über ihn grübelst, sondern indem du ihn reden hörst und beobachtest. So ist es mit Jesus. Erkenntnis kommt durchs Hören.
Die Bibel ist Gottes Reden an uns – konkret, manchmal tröstend, manchmal unbequem, aber immer mit Richtung. Wenn wir lesen, hören, nachfragen und antworten, wird aus einem alten Buch ein echtes Gespräch. Mit der Reihenfolge von Hören – Verstehen – Leben entsteht Erkenntnis.

Die Bibel zeigt selbst, wie man sie liest. Psalm 1 macht den Anfang und erklärt, dass nicht im Eiltempo, sondern langsam, wiederholend, „kauend“ – wie ein Song, den man öfter hört, bis er sitzt und man jeden Teil des Liedes verstanden hat. Und weil es um Alltag geht, schiebt 5. Mose 6 nach: Rede vom Wort beim Frühstück, unterwegs, abends – die Bibel gehört an den Küchentisch, nicht nur in den Sonntag.

Damit wir den roten Faden nicht verlieren, setzt Lukas 24 die „Jesus-Brille“ auf. Lies den Bibeltext mit der Frage, wie der Text auf Jesus hinweist – seine Person, sein Werk und seine Zusage. Wenn das klar ist, dann finden wir in 2. Timotheus 3, 16 den Hinweis, warum sich das lohnt. Die Schrift ist nämlich „gottgehaucht“ – Gott nutzt sie wie ein Coach, der den Leser trainiert, korrigiert und neu ausrichtet.

Und weil niemand allein alles checkt, wird uns in Apostelgeschichte 17, 11 gezeigt, dass prüfen eine gemeinsame Sache ist. Die Beröer prüfen täglich gemeinsam nach, ob das Gesagte sich in der Schrift wiederfindet. Zuletzt gibt es den letzten Schritt in Jakobus 1, 22: Nicht nur zuhören, sondern tun. Und das ist einfach nur konsequent.

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir drei erfahrene Coaches vorstellst, die neben dir am Küchentisch sitzen. Augustin wäre der Erste, der ruhig sagt: „Wenn dir ein Text unklar und unverständlich erscheint, halte dich an dem verständlichen Teil fest.“ Das ist kein Ausweichmanöver, sondern kluge Reihenfolge. Nimm das, was klar ist – Gottes Charakter, Jesu Zusage, die großen Linien – und lass davon die schwereren Stellen beleuchten. Praktisch heißt das: Markiere das Verständliche, formuliere es in einem eigenen Satz. Und dann lies die schwierige Stelle im Licht dieses Satzes. So bleibt dein Blick stabil, statt in Nebel zu starren.

Daran knüpft Luther an und legt die Arbeitsmethode nach: „Die Schrift legt die Schrift aus.“ Er würde dir raten, Querverweise zu nutzen wie Taschenlampen. Eine dunkle Stelle im Propheten? Schau, wie Jesus oder die Apostel ähnliche Worte verwenden. Und er erinnert an Christus, der die Mitte ist, damit du dich nicht verläufst. Frag bei jeder Passage: Wie führt mich dieser Text zu Jesus – zu seiner Person, seinem Werk, seiner Einladung? Schreib am Rand „Christus?“ und fasse in einem Halbsatz zusammen, wo die Spur zu ihm sichtbar wird. Das schützt vor moralischer Überforderung und hält das Evangelium zentral.

Calvin schließlich sorgt für Disziplin: Lass den Text führen, nicht deine Laune oder der Trend. Lies zuerst, was da wirklich steht – Grammatik, Kontext, Argument – und erst dann, was du gerne hättest. Calvin würde dir raten, Beobachtungen zu notieren, bevor du Deutungen gibst. Wer spricht? An wen? In welcher Situation? Welche Schlüsselwörter wiederholen sich? Erst danach ziehst du die Linie in dein Leben. So bleibt Bibellesen erdverbunden, nüchtern und erstaunlich fruchtbar: helles klärt dunkles (Augustin), die Mitte ist Christus (Luther), und der Text hat das Steuer (Calvin).

Stell dir am Ende jeder Bibel-Lesezeit die einfache Frage: Was ist heute mein nächster kleiner Schritt? So wird aus Lesen Hören, aus Hören Verstehen – und aus Verstehen Handeln.

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


„Wer bist du denn?“, fragten sie. „Ich bin der, als den ich mich immer bezeichnet habe“, erwiderte Jesus.

Johannes 8, 25