Der König kommt

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Wenn in der Antike ein König seinen Besuch in einer Region ankündigte, dann wurden Wochen vorher Boten eilig durch das Land geschickt. Nicht, um Einladungen zu verteilen, sondern um etwas ganz anderes klarzumachen: Der König kommt. Und mit dieser Nachricht beginnt eine Bewegung. Keine feierliche, sondern eine praktische. Der Weg soll ihm bereitet werden.

Straßen, die man jahrelang notdürftig benutzt hat, werden plötzlich wichtig. Schlaglöcher werden aufgefüllt, schmale Passagen verbreitert, gefährliche Stellen gesichert. Steine und Geröll verschwinden. Umgestürzte Bäume werden weggeräumt. Wo der Weg abfällt, wird aufgeschüttet. Wo er sich hebt, wird eingeebnet. Nicht aus ästhetischen Gründen, sondern aus Notwendigkeit. Der Zug des Königs darf nicht stocken.

Auch im Land selbst wird aufgeräumt. Lokale Machthaber sorgen dafür, dass offene Konflikte beigelegt werden. Unruhe gilt als Gefahr. Aufstände, Streitigkeiten, Rechtsbrüche – alles, was Widerstand oder Verzögerung bedeutet, muss vorher geklärt sein. Der König kommt nicht in ein Chaos. Das Land passt sich an.

Niemand kam auf die Idee zu sagen: „Der König soll halt vorsichtig reisen.“ Oder: „Er wird schon irgendwie durchkommen.“ Die Logik war eindeutig: Wenn der König kommt, verändert sich nicht der König – sondern der Weg. Weg bereiten heißt, Hindernisse entfernen. Raum schaffen. Platz machen.

Mit genau diesem Bild beginnt Jesaja Kapitel 40: „Bereitet dem Herrn den Weg.“ Seine Worte fallen nicht in eine Zeit religiöser Hochstimmung, sondern in einer Zeit der Depression. Israel ist besiegt, deportiert, entwurzelt. Der Tempel zerstört. Alles ist weg, was Sicherheit gegeben hat – Land, Nation, König, Kult. Die großen Sicherheiten sind verloren. Viele fragen nicht mehr, wie man Gott dienen soll, sondern ob er überhaupt noch kommt.

Und genau dort sagt Jesaja: Gott kommt. Nicht weil das Volk irgendwas Großartiges geleistet hat, sondern weil Gott sich selbst auf den Weg zu seinem Volk macht. Darum ruft der Text des Jesaja uns zu: „Bereitet den Weg“. Nicht durch moralische Anstrengung, sondern durch Freiräumen. Alles, was den Zugang blockiert, muss weg.

Johannes der Täufer greift diesen Ruf Jahrhunderte später auf und trifft uns in unserer Gegenwart. Er entlarvt schonungslos die Geisteshaltung der Menschen. Er sagt: ihr seid Sünder. Alle. Ohne Ausnahme. Verloren, bedürftig, angewiesen. Nicht nur die offensichtlichen Versager, sondern auch die Anständigen, Frommen, Engagierten. Nichts hat Bedeutung und nichts eine Zukunft, wenn Christus nicht darin lebt und wirkt.

Das klingt hart. Und es ist hart! Aber es ist nicht grausam, sondern ehrlich. Johannes nimmt uns die Illusion, wir könnten Gott ein halbwegs sauberes Leben anbieten – mit ein paar dunklen Ecken, die man schon übersehen wird. Doch das funktioniert nicht. Wenn ein Mensch sein Leben Jesus übergibt und ihm nachfolgen möchte, dann gehört er Gott nicht „größtenteils“. Er gehört ganz – oder gar nicht. Ein bisschen Eigenrechtfertigung reicht aus, um das Ganze zu kippen.

Das muss man erst einmal begreifen. Christus ist nicht die Verbesserung oder Ergänzung unseres Lebens, sondern das Fundament. Glaube heißt nicht, „Ich tue mein Bestes, und Christus füllt den Rest auf.“ Glaube heißt: Christus tut alles – oder es trägt nicht.

Dabei bleibt Johannes nicht stehen. Er ruft zur Umkehr, die meist als „Buße“ bezeichnet wird. Und „Umkehr“ bedeutet nicht Selbstoptimierung, sondern zurück zu den Wurzeln. Aber dieser Weg ist nicht durch äußere Umstände versperrt, sondern durch den Menschen selbst. Durch Selbstrechtfertigung, Selbstgerechtigkeit oder durch Leistungsdenken. Auch der Gedanke, man könne Gott ein „fast reines“ Leben anbieten, ist ein Hindernis.

So wird „Weg bereiten“ bis heute zu einer unbequemen Frage und einer Zumutung. Was liegt auf meinem inneren Weg, das Jesus daran hindert, alle Bereich meines Lebens aufzuräumen? Was steht zwischen mir und Christus?

Nicht erst die großen Abgründe sind das Problem, sondern die kleinen Hindernisse, an denen wir festhalten und verharmlosen. Genau hier setzt Johannes an. Nicht, um zu zerstören, sondern um Raum zu schaffen. Denn Christus kommt nicht als Beigabe. Er kommt als König. Er kommt in dein Leben.

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem HERRN den Weg, macht auf dem Gefilde eine ebene Bahn unserm Gott!
Alle Täler sollen erhöht werden und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was ungleich ist, soll eben, und was höckericht ist, soll schlicht werden;

Jesaja 40, 3-4