Der Tod – ist nicht das Ende

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Es gibt eine alte orientalische Geschichte, die fast ein wenig schmunzeln lässt – bis man merkt, wie ernst sie in Wahrheit ist. Ein Diener rennt atemlos in den Palast seines Königs. „Herr“, ruft er, „ich brauche sofort das schnellste Pferd!“ Der König fragt erstaunt: „Warum die Eile?“ Da erzählt der Diener, er habe eben auf dem Marktplatz den Tod gesehen. Der Tod habe ihn angesehen, als wolle er ihn holen. „Wenn ich jetzt aufbreche“, sagt der Diener, „kann ich weit weg sein, ehe er mich findet.“ Der König – voller Sorge um seinen Lieblingsdiener – gibt ihm tatsächlich das schnellste Pferd des Reiches. Kaum ist der Diener davon, geht der König selbst auf den Marktplatz. Findet dort den Tod und stellt ihn zur Rede. „Warum erschreckst du meinen Diener?“ Der Tod antwortet verwundert: „Erschrecken? Ich war nur erstaunt, ihn hier zu sehen. Ich habe heute Abend einen Termin mit ihm – allerdings in einer ganz anderen Stadt.“

Die Geschichte zeigt, wie tief die Angst vor dem Tod sitzt. Wir glauben, wir könnten ihm entkommen, wenn wir uns nur schnell genug bewegen, erfolgreich genug arbeiten, gesund genug leben oder uns ablenken. Aber am Ende holt uns die Sterblichkeit ein – nicht weil wir versagt hätten, sondern weil sie Teil unseres Menschseins ist.

Jesus sagt in Johannes 8: „Wer sich nach meinen Worten richtet, wird niemals sterben.“ Dort steckt keine Vertröstung, sondern eine Verheißung. Sie verändert das Leben für einen Christen schon heute und jetzt. Martin Luther sagte zu dieser Bibelstelle: „Ein groß und mächtig Ding ist’s um einen Christen, der da glaubt.“ Warum? Weil der Glaube an Christus nicht abstrakt ist. Er nimmt dem Tod nicht seine biologische Wirklichkeit, aber seine Macht, uns zu beherrschen.

Wer Christus vertraut, dem müssen Tod, Sünde und Teufel weichen. Damit ist nicht gemeint, dass Christen keine Angst kennen oder nie leiden. Sondern, der Tod ist nicht mehr das Ende. Nicht der große Abbruch oder nicht die Wand ohne Tür. Vielmehr beginnt der Christ „in dieser Zeit“ bereits das ewige Leben. Der Tod hat seinen Stachel verloren – ein Gedanke, den Paulus im 1.Korinther 15 ähnlich erklärt. Christlicher Glaube ist deshalb kein Ausweichen vor der Realität, sondern ein anderer Blick auf sie.

Um diesen Unterschied klarzumachen, greife ich noch einmal auf Luther zurück, der ein altes Volksgedicht benutzt hat, um das zu erklären:

„Ich lebe und weiß nicht, wie lange,
ich sterbe, weiß auch nicht wann,
ich fahr von dannen, weiß nicht wohin,
mich wundert’s, dass ich so fröhlich bin.“

Dem stellte Luther gegenüber, dass für Christen das so nicht stimmt. Ein Christ könne – ja solle – die letzten beiden Zeilen umdrehen:

„Ich fahr und weiß gottlob wohin,
mich wundert’s, dass ich so traurig bin.“

Damit wollte Luther keine billige Heiterkeit verordnen. Es geht darum, dass wer Christus kennt, weiß, wohin er geht. Der Weg führt nicht in ein namenloses Nichts, sondern in die Gegenwart Gottes. Das nimmt dem Leben nicht seine Schwere, aber es schenkt eine tiefere Zuversicht.

Interessant ist, Luther ließ das alte Gedicht trotzdem im Umlauf – für „unbußfertige, sichere Leute“, wie er sagt. Also für Menschen, die meinen, ihr Leben sei selbstverständlich, ihr Tod fern, ihre Entscheidungen ohne Folgen. Für sie sollte das Gedicht ein Weckruf sein: Du bist sterblich. Du hast keine Garantie auf die nächsten fünf Minuten. Werde klug. Und das erinnert an Psalm 90: „Lehre uns, Herr, bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“
Sterblichkeit bedenken ist für ihn kein morbides Kreisen um den Tod. Es ist ein Weg zur Weisheit, zur Umkehr, zur Ehrlichkeit mit sich selbst und vor Gott.

Was bedeutet das für uns heute? Viele Menschen leben zwischen zwei Extremen: Entweder verdrängen sie den Tod komplett – oder sie haben eine diffuse Angst vor ihm. Beides lässt uns innerlich gehetzt werden wie der Diener in der Geschichte in der Einleitung. Aber es gibt einen dritten Weg. Den Tod ernst nehmen und gerade dadurch freier leben. Denn wer sich seiner Endlichkeit stellt, kann Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Und wer Christus vertraut, sieht im Tod nicht mehr den Abgrund, sondern die Tür.

Vielleicht ist das die eigentliche Lösung der Angst vor dem Tod. Wenn man weiß, wohin man „fährt“, macht das Leben leichter, nicht schwerer.

Wie verändert es deinen Alltag, wenn der Tod nicht mehr das letzte Wort hätte? Wie verändert diese Tatsache deine Haltung zu dem, was dir täglich begegnet?

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Wer sich nach meinen Worten richtet, wird niemals sterben.

Johannes 8, 51