Die enge Pforte verstehen

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Ich hatte einen Traum und stand dort vor einem Club, der sehr begehrt ist. Alle zog es dorthin, mich auch. Aber vor dem Eingang war eine lange Schlange. Manche trugen VIP-Bändchen, andere hielten Mappen hoch: Ehrenamt, Spendenquittungen, Zertifikate, errungene Preise, Ehrungen und Pokale. Einer wedelte mit einem Tablet mit einer Excel-Liste. Über der Tür leuchtete in schmalen Lettern: „Enge Pforte“. Als ich näherkam, merkte ich: Diese Tür ist so schmal, dass man nur ohne Gepäck hindurchpasst. Die Leute probierten alles – Bauch einziehen, Luft anhalten, Listen falten. Der Türsteher blieb freundlich, aber unbeirrt: „Ohne Taschen.“ Neben mir sagte einer: „Kein Problem, ich hab richtig gute Werke gesammelt.“ Er legte sie wie Trophäen um. Doch an der Schwelle blieb er hängen, so fest wie ein Kamel im Nadelöhr. Ich spürte, wie mir die eigenen Belege schwer wurden. Da hörte ich eine leise Stimme: „Lass einfach los.“ Ich ließ fallen, was ich trug – und plötzlich war genug Platz, um zu atmen. Ich wachte auf – mit Jesu Satz im Ohr: „Die Tür ist eng. Setzt alles dran, hineinzukommen! Denn ich sage euch: Viele werden es versuchen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“ (Lukas 13, 24).

Im griechischen Text steht in dieser Lukasstelle „ringen“ und macht deutlich, dass es um den Einsatz geht und nicht um Selbstrettung und Selbstdarstellung. Es geht darum, sich an der Gnade Gottes zu klammern und nicht am eigenen Können. Der schmale Durchgang fordert keine Extra-Kilos an Moral, sondern Entlastung. Wer mit vollen Säcken kommt – „Werkheilige“ nannte Martin Luther sie polemisch – verklemmt an der Tür. Wer leer ausgeht, geht ein.

Jesus erwähnt an anderer Stelle das Bild vom Kamel und Nadelöhr. Es ist absichtliche Übertreibung, um den Punkt scharf zu stellen: Selbstoptimierung und Selbstgerechtigkeit rettet nicht. Die „enge Pforte“ ist Christus selbst – seine Gnade, die man nicht addiert zu den eigenen Leistungen, sondern statt ihrer empfängt. „Glaube“ heißt hier nicht irgendeine diffuse Religiosität, sondern Vertrauen. Ich stütze mich nicht mehr auf meine frommen Erfolge, sondern auf Gottes Zusage. Selbst „klein“ werden ist kein psychologisches Kleinmachen, sondern ein geistlicher Perspektivwechsel: Meine Werke sind gut für den Nächsten, aber sie sind keine Eintrittskarte. Die enge Pforte öffnet sich, wenn ich mich nicht aufplustere und in den Mittelpunkt stelle, sondern ablege und das Rampenlicht verlasse – dann wird’s weit.
In der Sprache von Paulus ausgedrückt: „Denn durch die Gnade seid ihr gerettet worden aufgrund des Glaubens. Dazu habt ihr selbst nichts getan, es ist Gottes Geschenk…“ (Epheser 2, 8 und folgende). Wer diese Gabe packt, lässt anderes fallen. Und genau dieses Loslassen fühlt sich wie „Ringen“ an, weil unser Herz gerne klammert und seine eigene Bilanz vorzeigt.

Mach zuerst eine ehrliche Inventur. Woran hängt dein religiöses Selbstwertgefühl – an Disziplin, Spenden, liturgischer Korrektheit? Das alles kann gut sein, aber eben als Frucht, nicht als Ticket. Für den Alltag hilft ein kurzer Satz, der dich wieder auf Kurs bringt: „Herr, ich komme leer – fülle du.“
Sprich Gott genau dann an, wenn du innerlich dein „VIP-Bändchen“ zückst. Übe das Loslassen, ganz praktisch. Vergib dir selbst vor Gott deine To-do-Listen, die liegen geblieben sind. Gnade beginnt in dem Moment, in dem du die Aktenmappe schließt. Richte deine Werke nach außen. Gute Werke sind kein Drehkreuz zu Gott, sondern ein Geschenk an den Nächsten – also frag dich: Wer braucht heute meine Zeit, meine Aufmerksamkeit, meine Hilfe? Und nimm den Ringkampf mit deinem Ego an: Das „Ringen“ ist kein Muskelspiel, sondern die tägliche Umkehr—„nicht, ich bin so super, sondern Christus in mir“ (Galater 2, 20). Dafür reicht ein Minigebet, das Herz und Schritte sortiert: „Enge meine Wege – weite mein Herz.“

Die enge Pforte ist kein fieser Flaschenhals für Elite-Christen. Sie ist schmal, damit niemand sein Gepäck der Selbstrechtfertigung mitnimmt. Durch diese Tür geht man nicht mit Applaus, sondern mit leeren Händen – und kommt dahinter in weiten Raum. Wer sich nicht selbst groß macht und sein Echo dämpft, hört Gottes Ruf und passt durch die enge Pforte – und findet dahinter mehr als er je tragen könnte. Lass los – und geh hindurch.

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Jesus sagte: „Die Tür ist eng. Setzt alles dran, hineinzukommen! Denn ich sage euch: Viele werden es versuchen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“

Lukas 13, 24