Neulich im Bus erklärte ein Teenie seinem Kumpel sehr überzeugt, warum der Fahrer „falsch“ fahre: „Ich hab’s durchschaut! Der nimmt Umwege für mehr Pausen!“ Er klang sehr überzeugend und führte mehrere Indizien dazu heran, die seine Vermutung stützen sollten. Doch zwei Stationen später sah man die Baustellen, die Umleitungsschilder – und ein sehr rotes Gesicht des Teenies, der nichts mehr von dem wissen wollte, was er noch vor wenigen Minuten versuchte zu erklären. Willkommen im Alltag. Wir glauben oft, den Plot zu kennen, obwohl uns der Zusammenhang fehlt. Genau hier trifft uns das alte, aber hochaktuelle Wort „Gottvertrauen“: Vertrauen heißt nicht, dass ich alle Details kenne, sondern dass ich dem vertraue, der sie kennt.
Vom Bus zur Bibel ist es auch kein weiter Sprung: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird’s wohl machen“ (Psalm 37, 5). Gott zerbricht die „allerweisesten Ratschläge“ und baut das auf, was schwach erscheint. Damit wir nicht mit unserem eigenen Navigationssystem uns irgendwo festfahren, ruft Gott: „Rufe mich an in der Not; ich will dich erretten“ (Psalm 50, 15).
Wenn man sich den hebräischen Text dazu anschaut, dann heißt es eigentlich so viel wie „Wälze deinen Weg auf den HERRN.“ Man könnte auch sagen, „Lege das Gewicht deines Weges auf Gott.“ Gott handelt oft gegen den Augenschein und nicht zwingend so, wie unser Denken von Gottes Willen es vorsieht. Paulus fasst das in eine Paradoxie: „Das Schwache Gottes ist immer noch viel stärker als die Menschen“ (siehe 1. Korinther 1). Der Schöpfer, der jemanden hochheben und stürzen kann, ist nicht Beifahrer, sondern Herr der Strecke – auch wenn die Umleitung nach Kreuz aussieht.
Unsere Zeit produziert eine Turbo-Meinungskultur. Ein Thread, ein Reels-Schnipsel, ein Schlagzeilen-Scroll – und schon „haben wir’s durchschaut“. Aus einer extrem stark vereinfachten Aussage wird ein Urteil getroffen und Partei ergriffen. Doch Gott ruft uns aus der Kurzschluss-Spiritualität in eine belastbare Beziehung. Vertrauen ersetzt nicht Denken. Es befreit das Denken aus der Selbstüberschätzung. Wer seinen Weg „auf Gott wälzt“, lernt Demut und hat den Schwerpunkt seines Denkens verlagert. Es bedeutet, ich kenne nicht alle Faktoren, aber ich kenne den, der sie trägt. Das verwandelt auch die Planung: „Auch wenn ich mit dem besten Rat gerüstet bin und die beste Überzeugung habe“, bleibe ich betend korrigierbar.
Für uns heute heißt es, Beten statt Panik. Wenn’s brennt – nicht nur die Kommentarfelder in den Online-Kanälen füttern, sondern Psalm 50, 15 praktizieren. Stell dir einen „Notruf an Gott“-Timer: drei Mal täglich 60 Sekunden. Sag Gott, was du nicht überblickst. Übergib ihm bewusst mit den Worten „Herr, ich wälze das auf dich.“
Dann ist noch etwas wichtig: Demut statt Deutungshoheit. Baue in deinen Entscheidungen eine „Unbekannte-Box“ ein. Es könnte ja sein, dass ich etwas übersehen habe. Wen frage ich, der anders denkt? So wird Rat nicht Götze, sondern Werkzeug. Gott zerbricht „allerweiseste Ratschläge“ – nicht um uns zu demütigen, sondern um uns von unserem Fokus auf uns selbst zu befreien.
Manche suchen so lange nach Argumenten und Beweisen, bis sie die Bestätigung für das eigene Denken oder die bereits bezogene Meinung gefunden haben. Aber Gottes Wirken ist nicht in dem, der sich selbst für stark hält. Es liegt in der unscheinbaren Treue, im ehrlichen Eingeständnis „Ich weiß es nicht“, in der kleinen Tat der Versöhnung und des Brücken-Bauens.
Mache immer wieder mal den Praxischeck, wenn du denkst „es durchschaut zu haben“. Stelle drei Fragen: Welche Daten und Informationen fehlen mir für die Prüfung einer Aussage? Welche Gegenargumente habe ich ernst geprüft? Habe ich Gott wirklich um Weisheit gebeten – oder nur Bestätigung meines Denkens oder meiner Haltung gesucht?
Lege abends dein Smartphone symbolisch unter die Bibel. Ein leises Gebet: „Vater, du bist der Allmächtige. Hebe mich heraus, wenn ich falle; stürze mich, wenn ich mich zu hoch setze. Lenke meinen Weg.“ So wird Gottvertrauen vom Gefühl zur Gewohnheit. So ein abendliches Ritual kann eine geistliche Grundhaltung schaffen.
Am Ende steht kein frommes „Wird schon“, sondern eine Zusage: „Er wird’s wohl machen.“ Nicht immer sofort, nicht immer sichtbar – aber wirklich. Darum übergib, was du nicht tragen kannst. Prüfe, was du meinst, verstanden zu haben und rufe Gott an, bevor du dich verrennst. Der Herr der Umleitungen ist auch der Herr der Ankunft. Heute. Für dich.
Vielen Dank fürs Lesen!
Dein Peter
Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird’s wohl machen.
Psalm 37, 5