Pressetermin heute, Habakuk gestern

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Pressetermin, Kameras klicken, Banner wehen, die Rednerbühne ist so prächtig und so hoch, dass selbst die Tauben scheu werden. Der starke Mann tritt ans Mikrofon, lächelt selbstsicher und sagt: „Niemand versteht die Lage so gut wie wir.“ Applaus. Online trendet währenddessen der Hashtag #Unaufhaltbar. Gegenstimmen? „Nur Neider.“ – Die Szene ist modern, aber sie könnte ebenso aus der Antike stammen. Habakuk sah sie: Truppen, die „wie der Sturm“ fegen (Habakuk 1,11), Herrscher, die ihre eigene Kraft vergötzen. Damals hießen sie Babylonier. Heute tragen sie andere Farben, andere Logos, aber dieselbe Seele. Da sind Menschen nur ein Mittel zum Zweck. Die Verpackung wechselt – die Versuchung und das Unheil, das man über andere bringt, bleibt. Erfolg wird als Wahrheit verkauft, Spott als Waffe eingesetzt und Lüge als Schmierstoff, um das gewünschte schnell zu verbreiten. Und oft wirkt es, als ginge die Rechnung oder der „Masterplan“ auf. Bis die Geschichte – mit Gottes Hand im Rücken – plötzlich die Richtung wechselt.

Habakuk betet, ringt, klagt. Er sieht, dass die Bösen gewinnen und die Frommen verlieren. Gottes Antwort ist unbequem: Ich lasse es zu. Nicht, weil ich ungerecht bin, sondern weil ich größer bin als eure Zwischenstände. Der Prophet lernt dabei zwei Sätze, die sich durch die Jahrhunderte ziehen. Zuerst einmal, dass Selbstvergötterung der Macht sich selbst entlarvt, wenn sie sich am Ende selbst verschlingt. Und zweitens, dass das „Stündlein“ Gottes kommt – nicht immer früh und so, wie Mensch es sich denkt. Aber mächtig und wehe denen, die auf den falschen Weg geraten sind.

Die Selbstvergötterung der Macht („Ihr Gott ist die eigene Kraft“, Habakuk 1, 11) traf damals und trifft heute den Nerv. Macht erhebt sich zur letzten Instanz. Aus Gottes Sicht ist das auch eine Form von Götzendienst. Nicht Statuen, sondern Systeme und Ideologien, Aktienkurven und Datensilos – das sind heute die Goldenen Kälber.

Die Bibel kalkuliert den scheinbaren Erfolg dieser selbstbezogenen Menschen ein – Pharao, Babylon, Rom. Gott lässt sie „laufen“, sagte Martin Luther darüber. Damit sie „die Sünde voll machen“. Das ist kein Fatalismus, sondern eine Offenlegung. Erfolg ist keine Ethik. Siege sind keine Sakramente.
Früher hat man die Formulierung „die Sünde voll machen“ verwendet, um zu erklären, dass der falsche Weg lange und konsequent gegangen wird, bis der Punkt ohne Rückkehrmöglichkeit erreicht wird.

Habakuk erlebte zu seiner Zeit eine Spott- und Lügenkultur. „Wo ist nun dein Christus?“ – der Spott am Kreuz hallt durch die Geschichte. Spott delegitimiert den Mitmenschen, Lüge soll die Menschen ganz bewusst auf einen falschen Weg bringen. Aber beides steht im Gegensatz zu dem, wie Gott sich das Miteinander vorgestellt hat.

Gottes Gericht fällt oft nicht als Blitz, sondern als Bumerang. Die Selbstsicherheit der Mächtigen macht sie blind. Sie glauben ihren eigenen Pressemitteilungen, Beiträgen in den digitalen Netzwerken und Lügen, sodass sie ihren Irrtum nicht mehr erkennen. Sie werden „Narren in ihrer Klugheit“ (Martin Luther). Das ist Gericht. Martin Luther verwendete damals dafür die bitter-süße Metapher „Honig säen, sauren Senf ernten“. Die Bühne, die man für den Triumph baut, wird zur Rampe des Absturzes. Babylon fällt. Rom zerfällt. Diktaturen zerbröseln. Die Mächtigen kommen und gehen. Aber Christus bleibt.

Ob Cäsarenkult, totalitäre Systeme oder Personenkult im 20. Jahrhundert – die Liturgie bleibt: Prozessionen, Symbole, Slogans. Erst Glanz, dann Risse, dann Collapse. Die Ironie? Je absoluter die Macht, desto fragiler das System und größer die Angst der Machtgierigen. Unwahrheit in Bilanzen, toxische Plattform-Algorithmen oder grenzenlose Ausbeutung rächen sich. Governance, Ethik, Wahrheit – vernachlässigst du sie, richten sie dich. Wer Wahrheit biegt, wird von ihr gebrochen. Auch Fromme sind nicht immun gegen Verblendung. Wo wir Leistung vergötzen und Frömmigkeit als Image pflegen oder Gegner dämonisieren oder Menschen als Feindbilder darstellen, ziehen wir den Kreis um uns selbst sehr eng herum – und stehen irgendwann allein ohne Christus darin.

Habakuk schaut vom Wachturm und bleibt – gegen den Lärm der Macht – beim leisen Takt Gottes. Die Geschichte hat Humor. Gottes Humor. Er lässt die Überheblichen auf ihren eigenen Rolltreppen stürzen. Das Kreuz ist der Beweis. Der Spott der Welt wird zur Bühne der Auferstehung. Darum fürchte nicht den Lärm. Suche die Wahrheit. Liebe die Demut. Und rechne damit, dass Christus bleibt, wenn alles andere zerfliegt.

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Dann ziehen sie weiter. / Wie der Sturm fegen sie dahin / und machen sich schuldig, / denn ihr Gott ist die eigene Kraft.

Habakuk 1, 11