Gott ist kein Feelgood-Coach – und schon gar kein Wunschautomat. Christen erleben immer wieder Momente aus der strengen Schule Gottes: Krankheit, Verlust, Ohnmacht, Schmerzen. Und oft drängt sich die Frage auf: „Warum gerade ich? Ich glaube doch an Gott!“ Gleichzeitig scheinen andere – laut, selbstgerecht, ohne jede Gottesbeziehung – wie vom Leben verwöhnt.
Schon Martin Luther kannte diesen Widerspruch. Er beobachtete, wie gläubige Menschen litten, während die Gottlosen scheinbar mühelos durchs Leben segelten. Seine Antwort ist unbequem, aber ehrlich: Gott erzieht seine Kinder streng – nicht aus Hass, sondern aus Liebe.
Der Vater züchtigt den Sohn, weil er das Potenzial in ihm sieht und ihn vorbereitet. Auf Verantwortung. Auf das Erbe. Und reifen lässt, wie man einen jungen Wein zu einem wertvollen und reifen Wein werden lässt.
Den Knecht aber – den Fremden – lässt er laufen. Er wird weder geprüft noch geliebt, sondern bleibt außen vor. Kein Erbe. Keine Zukunft. Nur raus mit ihm, wenn er nicht spurt.
Das ist ein harter Vergleich. Fast ungerecht, oder? Aber schauen wir tiefer hin. In der alten Lutherbibel steht in Hebräer 12, 6: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er stäupt jeden Sohn, den er annimmt.“
Das klingt im ersten Moment hart – und in unserer heutigen Zeit ist das Wort „züchtigen“ oft mit Strafe, Schmerz oder gar Missbrauch gesehen. Beängstigend. Aber damals war das Bild des strengen Vaters ein positives Bild. Luther übersetzte das griechische Wort mit züchtigen, meinte aber im damaligen Sprachgebrauch erziehen, bilden, ausbilden. Und zwar im umfassenden Sinne. Es hat nichts mit Gewaltausübung zu tun, sondern eher mit dem, was man heute pädagogische Förderung durch Herausforderung nennen würde.
Auch das „stäupen“ oder „schlagen“ ist nicht als eine brutale Strafe zu verstehen, sondern wurde damals im Zusammenhang auf die Erfahrung von Widerstand, von Anstrengung, von Schmerz gesehen, wie man sie etwa beim körperlichen Training oder im geistlichen Wachstum durchlebt.
Der Hebräerbrief ist geprägt von der Vorstellung, dass der Glaube gefestigt wird wie ein Muskel, der durch Belastung oder Training gezielt stärker gemacht wird.
Heute funktioniert dieses Bild des strengen Vaters nicht mehr so gut. Viele haben Missbrauch oder emotionale Kälte erlebt, wenn sie an „väterliche Strenge“ denken. Aber: Gott ist kein zorniger Patriarch. Er ist kein Gewalttäter. Er ist ein Vater, der uns zutraut, zu wachsen.
Eine Läuferin, die bei Olympia antritt. Oder einen Musiker, der auf die Bühne will. Ihre Leidenschaft verlangt ihnen alles ab – nicht, weil man sie quälen will, sondern weil man ihr Potenzial sieht.
Sie erleben Widerstand, Muskelkater, Rückschläge. Sie trainieren, werden gefordert, scheitern manchmal. Aber: Jede Anstrengung hat ein Ziel. Sie wird begleitet. Und sie macht sie stärker.
Genauso beschreibt der Hebräerbrief Gottes Erziehung: nicht als Strafe, sondern als Wachstumsweg. Gott will keine willenlosen Marionetten, auf die er einfach raufkloppt. Er möchte gestärkte Persönlichkeiten, die mit ihm durch dick und dünn gehen können und anderen eine Orientierung und Hilfe im Leben sind.
Ein geliebtes Kind braucht Grenzen und Weisung – nicht als Strafe. Gerade ein liebevolles „Nein“ gibt Sicherheit. Pädagogisch fördern Grenzen die Entwicklung von Frustrationstoleranz – eine zentrale Fähigkeit für psychische Stabilität. Kinder lernen: Nicht jeder Impuls führt zum Ziel, aber das heißt nicht, dass sie abgelehnt sind.
Grenzen zeigen Zugehörigkeit und Verantwortung. Sozial gesehen helfen sie, sich im Miteinander zu orientieren. Wer in klarer, verlässlicher Führung aufwächst, wird im Leben belastbarer – nicht trotz, sondern wegen dieser Erfahrung.
Auch wenn du vielleicht mal eine schmerzhafte Zeit durchläufst, vergiss es nie: Gott lässt seine Kinder nicht im Stich. Er nimmt sie ernst. Viel ernster als die, die gar nichts mit ihm zu tun haben wollen. Aber vergiss auch nicht, dass Gott weder ein Autokrat noch Animateur ist. Er ist Vater. Und Väter lieben anders, als Likes von irgendwelchen Fremden es je zeigen könnten.
Vielleicht ist nicht jede Grenze ein Hindernis, sondern eine Einladung zum Wachsen. Was wir als Härte empfinden, könnte in Wahrheit ein Ausdruck tiefer Zugehörigkeit sein. Und vielleicht zeigt sich echte Liebe nicht im ständigen Ja – sondern im Mut zum verantwortungsvollen Nein.
Vielen Dank fürs Lesen!
Dein Peter
Denn wen der Herr liebt, den erzieht er streng, und wen er als Sohn annimmt, dem gibt er auch Schläge.
Hebräer 12, 6