In einer Zeit, in der Informationen im Überfluss vorhanden sind, verwechseln wir Wissen oft mit Weisheit. Wir sind aufgeklärt, reflektiert, gebildet – und doch zunehmend orientierungslos. Wir bauen Flugzeuge, doch der Mensch neben uns bleibt uns ein Rätsel. Wir entschlüsseln Genetik, aber verstehen nicht, was ein gutes Leben ist. Und dann liegt da dieses Buch – die Bibel –, das vorgibt, Weisheit zu lehren. Aber sie beginnt auf merkwürdige Weise: nicht mit Beweisen, sondern mit Vertrauen. Nicht mit menschlicher Größe, sondern mit Demut. Nicht mit der Frage „Versteh ich das?“, sondern „Wer spricht hier eigentlich zu mir?“
Psalm 19 formuliert einen Grundsatz des Schriftverständnisses radikal: Die Heilige Schrift ist nicht das Produkt menschlicher Vernunft – und sie erschließt sich auch nicht durch menschliche Vernunft. Das ist nicht anti-intellektuell gemeint, sondern eine theologische Grenzziehung. Die Schrift kommt nicht „von unten“ – aus dem Denken, Dichten und Reflektieren des Menschen –, sondern „von oben“, aus der Offenbarung Gottes.
Um das mit einem Beispiel besser zu erklären: Deine Oma gibt dir ein Kuchenrezept. Dort steht: „2 Tassen Mehl, 1 Tasse Zucker, halbe Tasse Milch usw. – und dann: rühren, bis der Teig sich gut anfühlt.“ Du willst’s exakt machen: misst alles ab, rechnest Konsistenzwerte aus, googelst „optimale Teigstruktur“. Ergebnis: Der Kuchen wird nichts. Warum? Weil „gut anfühlen“ kein Messwert ist – sondern Erfahrung. Oma weiß, wie der Teig klingen, riechen, sich bewegen muss. Sie hat den Teig öfter gemacht und hat daher auch Vertrauen in dem, was bei dem Mischen der Zutaten passiert. Sie muss es nicht wissenschaftlich analysiert haben.
So ist es mit der Bibel: Wer sie im ersten Schritt rein analytisch angeht, verfehlt ihr eigentliches Wesen. Verstehen beginnt nicht mit der Methode, sondern mit Beziehung – zur Aussage, vor der man im Text steht, und letztlich zu dem Gott, der darin spricht.
Und genau darin liegt der Schlüssel: Ohne Beziehung zu Gott bleibt die Bibel ein Buch mit Worten, aber ohne Stimme. Man kann vieles darin studieren, zitieren, kritisieren – aber man wird nicht hören. Denn das hat nichts mit Intelligenz, Bildung oder theologischer Technik zu tun, sondern mit der Bereitschaft, sich innerlich ansprechen und korrigieren zu lassen.
Anders gesagt: Wenn du dein Herz und deinen Verstand beim Bibellesen nicht öffnest, wenn du nicht zulässt, dass der Text dich herausfordert oder verändert – dann bleibt es nur eine Übung im Verstehen, aber nicht im Glauben. Dann liest du vielleicht viel – aber du begegnest niemandem und es findet keinen Weg in den Alltag. Und ohne diese Begegnung gibt es kein echtes Weitergehen in der Nachfolge.
Gottes Weisheit ist nicht einfach eine höhere Stufe menschlicher Logik, sondern erst einmal ein Loslassen von sich selbst.
In 1. Korinther 1, 25 schreibt Paulus: „Denn was an Gott töricht erscheint, ist weiser als die Menschen, und was an Gott schwach erscheint, ist stärker als die Menschen.“
Paulus meint mit der „Torheit Gottes“ nicht, dass der Glaube dumm macht oder nur die geistig armen Gott näher sind – sondern dass Gottes Handeln oft nicht unseren Maßstäben von Vernunft, Stärke oder Erfolg entspricht. Was menschlich schwach oder unlogisch wirkt – wie das Kreuz –, ist in Wahrheit Ausdruck göttlicher Weisheit und Kraft. Es geht darum, Gottes Maßstäbe über unsere eigenen zu stellen.
Wenn Gottes Dummheit schon viel größere Weisheit ist, als die Menschen sich Weisheit vorstellen können, wie muss dann Gottes Weisheit erst sein?
Wer verstehen will, was Gott sagt, muss die eigene Person und das eigene Denken und die eigenen Vorstellungen erst einmal abstellen – und dann auf eine Stimme hören, die aus Gottes Wort durch seinen Geist kommt.
Heute merken wir diesen Konflikt oft nicht sofort – aber er ist immer noch da und genauso entscheidend. Wenn wir beim Glauben immer zuerst fragen, ob er nützlich, logisch oder modern genug ist, dann glauben wir nicht mehr an Gott. Wir glauben dann an uns selbst und uns wird wichtig, was andere über uns denken, damit wir gut dastehen können.
Die Bibel spricht nicht zu denen, die immer recht haben wollen – sondern zu denen, die fragen, suchen und hören. Sie fordert dich nicht auf, alles zu verstehen – sondern dich Gott zu öffnen, auch wenn du nicht alles verstehst.
Wenn du die Bibel aufschlägst und darin liest, mit welcher Haltung machst du das?
Vielen Dank fürs Lesen!
Dein Peter
Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
Psalm 19, 8