Wenn sogar die Jünger fliehen

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„Wir schalten live nach Golgatha – die Spannung ist kaum auszuhalten!“ – In der dramatischsten Stunde des Evangeliums kippt das Momentum: Der vermeintliche Messias hängt am Kreuz – zerschlagen, verspottet, verlassen. Die Kamera zoomt auf das Feld des Geschehens: Wo sind seine engsten Vertrauten? Wo ist Petrus, wo ist Johannes?

Die Jünger – sie fliehen. Was eben noch wie eine göttliche Offensive wirkte, ist nun ein Rückzug in Panik. Nur zwei Gestalten bleiben neben Jesus – zwei Gekreuzigte, namenlos, verloren. Doch plötzlich passiert das Unerwartete: Einer von ihnen – blutig, mit letzter Kraft – bekennt, was selbst die Freunde nicht mehr zu sagen wagen: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“

Was für ein Satz. Gesprochen nicht von einem Priester. Nicht von einem Apostel. Sondern von einem Mann, den alle längst aufgegeben hatten. Ein Krimineller. Gekreuzigt neben Jesus – am Rand der Gesellschaft und am Rand des Lebens. Und doch: Er spricht aus, was selbst die Frommen nicht mehr zu sagen wagen.

Und so beginnt der letzte Akt nicht mit einem Triumphzug, sondern mit einem himmlischen Elfmeter im Abseits der Geschichte. Wer bleibt – und wer geht? Wer schweigt – und wer bekennt?

Ja, Jesus hängt am Kreuz. Die Elite schweigt. Die Mächtigen waschen ihre Hände in Unschuld. Die Jünger – auf Tauchstation. Petrus? Hat ihn dreimal verleugnet. Das Krähen des Hahnes scheint gar nicht mehr zu verhallen. Die Bühne des Glaubens scheint leer. Kein Bischof, kein Lehrer, kein Influencer des Himmels steht mehr ein. Das System ist kollabiert. Haben sie es endlich geschafft, die Verschwörer und Wahrheitsverdreher?

Und doch: Gott bleibt nicht stumm. Wenn alle versagen, wenn alle fliehen, wenn der Glaube zu riskant scheint – dann spricht Gott durch einen Verbrecher. Einer, der nichts mehr zu verlieren hat. Aber den Mut findet, das Entscheidende zu sagen:

„Jesus, denk an mich.“

Gott braucht keine Macht, keine Ämter, keine Spießbürger, keine perfekten Profile. Er sucht Herz. Und manchmal findet er es dort, wo wir es am wenigsten erwarten: am Kreuz, neben dem Messias.

Martin Luther sagte sinngemäß: Wenn die Kirche schweigt, schreit vielleicht ein Dieb die Wahrheit. Und mal ehrlich: Ist das nicht auch heute so?

Die Kirchenbänke werden leerer, die Debatten lauter und immer polarisierter. Viele glauben still – oder gar nicht mehr. Aber da und dort blitzt es auf: ein ehrliches Wort, ein stilles Gebet, ein mutiger Satz im Klassenzimmer oder in der Familienrunde.

Vielleicht merkst du: „Eigentlich müsste ich was sagen.“ Vielleicht zögerst du. Fühlst dich zu klein, zu unwichtig. Aber genau da – beginnt Gott zu wirken. Nicht mit den Lautesten. Sondern mit den Aufrichtigsten.

Der Verbrecher am Kreuz hatte keine weitere Chance. Am Kreuz war für ihn Endstation. Aber er hatte den Mut, Jesus als König zu bekennen – und wurde nicht vergessen. „Noch heute“, sagt Jesus, „bist du mit mir im Paradies.“

Was das für uns heute bedeutet? Als Erstes: Du musst kein Theologe sein, um Jesus zu bekennen. Dann, du brauchst keine makellose Geschichte, keine glänzende Biografie, keinen heiligen Schein. Gott ruft nicht die Perfekten – er ruft die Ehrlichen. Auch wenn du dich selbst für ungeeignet hältst, auch wenn du zweifelst, kämpfst oder gerade mitten in deinem Chaos steckst: Gott sieht dich. Und wenn du den Mut findest, ihn zu bezeugen – gerade dann, wenn niemand sonst es tut –, wirst du nicht allein bleiben.

Denn Gott hat nie auf die Massen gesetzt. Wie Martin Luther sagte, hat er immer sein „Häuflein“: eine kleine, manchmal fast übersehene Gruppe, durch die er Geschichte schreibt. Vielleicht gehörst du dazu. Vielleicht beginnt sein nächstes Kapitel genau mit dir. Bist du bereit dafür, dich gebrauchen zu lassen?

Manchmal braucht es keinen Helden, sondern nur einen ehrlichen Satz. Nicht die mit Krone, Titel oder Talar bekennen Jesus – sondern der, der am Kreuz hängt. Und vielleicht ist genau das die Hoffnung für unsere Zeit:
Dass Gott sich auch heute Menschen sucht, die einfach sagen: „Jesus, denk an mich. Ich will zu dir gehören.“

Vielen Dank fürs Lesen!

Dein Peter


Jesus erwiderte ihm: „Ich versichere dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Lukas 23, 42