Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist
willig; aber das Fleisch ist schwach.
Matthäus 26, Vers 41

Meine lieben Brüder, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in
mancherlei Anfechtungen fallt.
Jakobus 1, Vers 2

Sollen wir nun Anfechtungen meiden oder sollen wir uns freuen, wenn wir
von solchen ereilt werden?

Immerhin fiel auch Jesus in Anfechtungen, denn ER sagte zu seinen
Jüngern:

Ihr aber seid’s, die ihr ausgeharrt habt bei mir in meinen Anfech-
tungen (Lukas 22, Vers 28).

Liegt hier ein Widerspruch zwischen der Aussage im Matthäusevangelium
und der im Jakobusbrief vor, oder wie ist die Sache zu sehen?

Die Antwort könnte so aussehen, dass zwischen Versuchung und Anfech-
tung unterschieden werden muss, wobei beide Begriffe eng verwandt sind
und sich überschneiden können. In der Ursprache des Neuen Testaments
wird zwischen Versuchung und Anfechtung nicht unterschieden.

Sinnvollerweise wird man den Begriff „Anfechtung“, vor der Jesus in Matt-
häus 26, 41, warnt, eher im Sinne von „Versuchung“ zu verstehen haben.
Bei der „Versuchung“ geht es um verlockende Angebote, denen man aus-
gesetzt ist, wobei man diesen erliegen kann.

Hier sollen wir uns vorsehen, weil wir schwache Menschen sind und uns
deshalb möglichen Versuchungen erst gar nicht aussetzen. Jeder weiß von
sich, wo er seine Schwachstellen hat und was er demnach meiden muss.

Die Aussage in Matthäus 26, 41 bedeutet nicht, dass wir eine bestehende
körperliche Schwäche mit Willenskraft überwinden könnten, wie das manch-
mal verstanden wird.

Mit dem Geist, der „willig ist“, ist der Heilige Geist gemeint, der allzeit bereit
ist und uns bewahren will, demgegenüber aber das Fleisch versagt. Unter
„Fleisch“ versteht die Bibel den fleischlich und damit weltlich gesinnten Men-
schen. Und dieses „Fleisch“ kommt auch beim Christen immer wieder zum
Vorschein.

In Matthäus 26, 41 geht es darum, nicht den angenehmen Verlockungen der
Welt zu erliegen um dadurch, „auf angenehme Weise“, unmerklich vom Glau-
ben abzufallen. Hier will uns Jesus bewahren.

Bei der Anfechtung geht es hingegen nicht so sehr um „süße Verlockungen“,
denen wir erliegen können, sondern um Belastungen, die sich aus dem Glau-
bensleben ergeben. Das kann der Fall sein, wenn ein Christ wegen seines
Glaubens bedrängt oder benachteiligt wird oder feststellt, dass die Gottlosen
erfolgreicher sind.

Er fragt sich dann, ob es sich überhaupt lohnt, weiter am Glauben festzuhal-
ten und ob der Glaube nicht doch sinn- und nutzlos ist, so wie es die Gott-
losen behaupten.

Während die Versuchung den Glauben an sich nicht infrage stellt, weil man
wider besseres Wissen etwas Verkehrtes tut, ist die Anfechtung durch
Fragen und Zweifel gekennzeichnet, denen man ebenfalls erliegen kann.

Darauf geht die Bibel verschiedentlich ein, wobei besonders der Psalm 73 zu
erwähnen ist.

Die Anfechtung wird von Jakobus als etwas Positives beschrieben. Dies, weil
die Anfechtung, wenn sie überwunden wird, eine Bewährung und Stärkung des
Glaubens bewirkt, so wie es auch beim Beter des Psalms 73 der Fall ist.

Manche meinen, dass diejenigen, die keinen Anfechtungen ausgesetzt sind,
überhaupt keine wirklichen Gotteskinder sind. Denn wenn jemand seinen Glau-
ben ernsthaft lebt, müsste er eigentlich regelmäßig angefochten sein.

Soweit möchte ich aber nicht gehen.

Wir können Gott nur bitten, dass er uns bewahrt, unseren schwachen Glauben
stärkt und uns nicht in Versuchung (und Anfechtung) führt, wie wir im Vater-
unser bitten.

Jörgen Bauer