Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.

1. Johannes 1, Verse 8-10

Wer aus Gott geboren ist, der tut keine Sünde; denn Gottes Kinder bleiben in ihm und können nicht sündigen; denn sie sind von Gott geboren.

1. Johannes 3, Vers 9

Die Briefe des Johannes gehören zu den sogenannten “Katholischen Briefen”.
Das heißt, dass sie nicht an eine bestimmte Gemeinde, sondern an eine
Vielzahl von Gemeinden, und damit an alle Christen, gerichtet sind.

Und im ersten Brief des Johannes sind zwei Textstellen, die das genaue Gegenteil auszusagen scheinen und solche “widersprüchlichen” Textstellen, wecken meine Neugier.

Sünder und sündlos sind unüberbrückbare Gegensätze. Sind wir nun Sünder
oder oder sind wir keine Sünder?

Die Frage lässt sich beantworten, wenn man von den zwei Bedeutungen des
Sündenbegriffs ausgeht.

Sünde heißt “Trennung von Gott” und damit Zielverfehlung des gesamten Lebens. Das ist der Zustand in den wir als natürliche Menschen, ohne unser
Zutun, hineingeboren werden. Das ist unsere natürliche Herzenshaltung, mit der wir nicht nach Gott fragen, sondern tun, was uns recht dünkt, und genau das trennt uns von Gott.

Das gilt es zu erkennen, wenn man zum Glauben kommt, und diese Selbsterkenntnis ist auch die Voraussetzung für das, was die Bibel als Wiedergeburt bezeichnet.

Der Mensch erkennt und bekennt seinen Zustand vor Gott, und Gott vergibt ihm, weil Jesus Christus bereits für seine und unsere Sünde bezahlt hat. Damit erweist sich Gott als treu und gerecht.

Wenn wir dann bekehrte und wiedergeborene Christen sind, haben wir in
Gottes Augen unsere sündhafte Natur abgelegt und sind deshalb sündlos.

Wer sich damit brüstet, wie es schon geschehen ist, verkennt, dass wir
zu keinen “besseren Menschen” geworden sind. Der “Alte Adam” und die “Alte Eva” sind immer noch in uns, und so gibt es neben der Sünde als Grundzustand des Menschen, auch noch die Tatsünde, weshalb wir immer wieder Dinge tun, die Gott nicht gefallen.

Und auch hier gilt wieder, dass uns Gott vergibt, wenn wir gesündigt haben,
das bekennen und Gott um Vergebung bitten. Und wenn wir ehrlich sind, tun wir vieles, was Gott nicht gefällt, oftmals ohne es zu merken. Deshalb bringt
es auch nichts in einer Ohrenbeichte Sünden zu bekennen.

“Unsere unerkannte Sünde stellst du in das Licht vor deinem Angesicht”
(Psalm 90, 8). Deshalb bitten wir auch immer wieder um Vergebung für
erkannte und unerkannte Sünden, so im Vaterunser: “und vergib uns unsere Schuld”.

Dabei ist es unerlässlich auch anderen zu vergeben, die an uns schuldig wurden. Denn wenn wir nicht vergeben, vergibt Gott auch uns nicht.

Und weil uns Gott vergibt, leben wir ständig aus der Vergebung.

Es ist heilsam und für das Christenleben unverzichtbar, sich immer wieder
vergeben zu lassen und dabei im Glauben zu wachsen.

In diesem Leben werden wir immer wieder sündigen. Erst in der Ewigkeit werden wir vollendet und von aller Sünde wirklich frei sein. Aber auf dem Weg dorthin befinden wir uns, wenn wir die rechte Sündenerkenntnis haben.

Jörgen Bauer