Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.

Psalm 90, Vers 4

In einer der letzten Andachten ging ich darauf ein, dass wir auf das Handeln
Gottes keinesfalls unsere, an astronomischen Abläufen orientierten geozentrischen Zeitmaßstäbe anlegen dürfen, weil wir damit die Zeit zu
einem Herrn machen, dem auch Gott unterworfen ist.

Gott als Schöpfer der Zeit ist auch der Herr der Zeit, bestimmt deren Anfang
und Ende und ist in keiner Weise zeitlich gebunden. Allein der Mensch ist
ein Gefangener in Raum und Zeit, wie der Titel eines Buches von Heinz Haber
lautet.

Und damit komme ich zum heutigen Thema.

Manche Christen werden von der Frage bewegt, ob sie nach ihrem Tod sofort
beim Herrn sind oder ob sie die Zeit bis zum Tag der Auferstehung im Grab
verbringen müssen. Und für jede der beiden Auffassungen lassen sich biblische Stellen finden, wobei es sehr fraglich ist, ob diese auch immer richtig verstanden werden.

Was mir auffällt ist, dass bei diesen Diskussionen von einer absoluten Zeit
ausgegangen wird. Manche scheinen davon auszugehen, dass dann, wenn wir heute den 19. August 2017 schreiben, dieses auch im gesamten Kosmos und in der Ewigkeit so ist. Vereinfacht gesagt, dass “Jetzt” überall “jetzt” ist.

Manchmal kommen die Zeugen Jehovas mit ihren speziellen Ansichten an
unsere Türe, denen ich dann gerne folgendes Beispiel vom “Schwarzen
Loch” der Astronomie bringe, das von einem sogenannten “Ereignishorizont”
umgeben ist:

Aus den Folgerungen der speziellen Relativitätstheorie ergibt sich, dass
das, was auf der dem Schwarzen Loch zugewandten Seite als ein
Sekundenbruchteil erlebt würde, auf der dem Schwarzen Loch abgewandten Seite, als eine sehr lange Zeit, von Millionen oder auch Milliarden Jahre erlebt würde, vorausgesetzt man könnte so lange leben.

Ich entwickele daraus allerdings keine Theorie derart, dass der Heimgegangene sich sofort als bei Gott befindlich erlebt, während er aus irdischer Sicht bis
zum Tag der Wiederkunft Christi und der Auferstehung der Toten im Grab
ruht.

Wie wissen nicht wie es wirklich ist, denn ähnlich, wie bei einer Vollnarkose, würde auch ein im Grab bewusstlos Ruhender überhaupt nichts von einer ablaufenden Zeit verspüren, weshalb er sich im Grab auch nicht “langweilen” müsste.

Und beim Erwachen wäre das wie beim Erwachen aus einer Vollnarkose, wo
es keine Erinnerung an das zwischenzeitlich Geschehene gibt. Eine Verletzter,
der nach Jahrzehnten aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, sprach den
Satz zu Ende, den er angefangen hatte, bevor er bewusstlos wurde.

Die Beispiele, die ich hier gebracht habe, sind allerdings allesamt völlig unbrauchbar, weil allen Beispielen, der eingangs beschriebene Kardinalfehler, unseren geozentrischen Zeitbegriff auf Gott und die zeitlose Ewigkeit anzuwenden, zugrunde liegt.

Unsere physikalische Zeit ist völlig und erstaunlich anders strukturiert und
darf nicht mit der Ewigkeit vermengt werden.

Mir geht es darum aufzuzeigen, dass die Wirklichkeit Gottes für uns unvorstellbar ist, weshalb wir uns nicht durch menschliche Weisheiten und
menschliche Logik beirren lassen dürfen.

Wir dürfen, können und sollen Gott vertrauen, dass er unvorstellbare und für uns völlig “unlogische” Dinge tun kann. Darüber sollten wir ruhig und stille werden und darauf vertrauen, dass wir im Leben und Sterben immer in seiner
Hand sind.

Jörgen Bauer