Sind wir untreu, so bleibt er doch treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.

2. Timotheus 2, Vers 13

In einer der zahlreichen Talkrunden äußerte einmal eine Teilnehmerin, dass man Ideale brauche, und diese müsse zum Beispiel der Bundespräsident verkörpern.

Dass die Menschen eine Vorstellung von dem haben, was gut, schön, edel,
vollkommen, erhaben usw. ist und sich danach sehnen, spricht für die Eben-
bildlichkeit Gottes, bestätigt aber auch das biblische Menschenbild, wonach
der Mensch, als von Gott Getrennter, diese Ideale nicht verwirklichen kann.

In jüngeren Jahren neigt man besonders zu Idealen und wünscht sich Men-
schen, die diesen Idealen entsprechen. Solche Ideale können zum Beispiel
Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Treue, kurz gesagt Gradlinigkeit, sein oder
auch Wunschvorstellungen, die man sich von einer Sache macht.

Im weiteren Leben, kommt es dann zumeist zu schweren Enttäuschungen,
weil sich diese Erwartungen nicht in der Weise erfüllen, wie man sich das
vorgestellt hat.

Aber nicht nur wir werden enttäuscht. Auch wir enttäuschen andere, wenn
wir nicht dem Bild entsprechen, das sich ein anderer oder andere von uns
gemacht haben.

Und wir können sogar von uns selbst enttäuscht sein, wenn wir den Vor-
stellungen, die wir von uns selbst haben, nicht entsprechen oder plötzlich
Züge an uns entdecken, die wir nie für möglich gehalten hätten.

Das Wort „Enttäuschung“ sagt treffend, um was es geht: Es wird ent-täuscht.
Man wird von einer Täuschung befreit. Die Täuschung wird entsorgt und man
sieht die Menschen und sich selbst, einschließlich der uns umgebenden Dinge,
nun so, wie sie wirklich sind, wobei der Blick für die Wirklichkeit geschärft wird.

Wenn dann der Schmerz über die Enttäuschung überwunden ist, ist man klü-
ger geworden und hat fürs Leben hinzugewonnen. Sieht plötzlich viel klarer.
So können Enttäuschungen zum Segen werden, und dann kann sich auch hier
bestätigen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen.

Und genau das ist der Punkt, an dem der Glaube die entscheidende Rolle spielt.

Es gibt Menschen, die nicht davon ablassen können an Menschen, an die ei-
genen Fähigkeiten oder irgendwelche Ideale zu glauben und deshalb ununter-
brochen enttäuscht werden. Mancher wird dadurch zermürbt oder zum Zyniker, oder Menschenhasser.

Nun sollen wir aber nicht an Menschen, an uns selbst oder an Ideale, sondern
an Gott glauben und unser Vertrauen ganz allein auf Ihn setzen. Gott lässt
uns sagen, dass Er unwandelbar und treu ist, und das selbst dann, wenn wir
untreu werden und gar nicht so sind, wie wir sein sollten oder wie wir es selbst
von uns wünschen.

Weil Gott uns ganz genau kennt, besser als wir uns selbst kennen, können wir
Ihn nicht enttäuschen. Er weiß, wie wir sind und Er liebt uns so, wie wir sind,
was aber keinesfalls heißt, dass wir Ihm, so wie wir sind, auch gefallen und Er
uns nicht verändern wollte. Denn Gott liebt den Sünder, aber Er hasst die Sünde!

Hier müssen wir uns vor der, in dieser Hinsicht beliebten kurzschließenden Fol-
gerung hüten, in der von einem „lieben Gott“ gesprochen wird, der uns so lässt,
wie wir sind und über alles „gnädig hinwegsieht“.

Viele unserer Ideale sind auch Gottes Ideale. Oder besser: Gott hat uns seine
Ideale ins Herz gegeben. Was uns von Gott trennt ist, dass wir uns vollmundig zu diesen Idealen bekennen, so tun, als wenn wir uns an diesen orientieren würden, diese dann auch ganz selbstverständlich von anderen einfordern – und, wenn es uns betrifft, oftmals das genaue Gegenteil tun.

In unserer Blindheit merken wir das oft gar nicht und sehen dann den Splitter im Auge des Bruders besonders deutlich – oder verzweifeln an uns selbst, wenn wir den Balken im eigenen Auge wahrnehmen. Auch das ist möglich.

Hier will uns das Wort Gottes helfen, einen Blick für die Realitäten zu bekommen. Wie heilsam ist es deshalb, sich dem Wort Gottes auszusetzen und vom Geist Gottes therapieren zu lassen.

Der „Therapieerfolg“ besteht in diesem Fall darin, dass der Herr Jesus Christus
unser ständiger Begleiter wird, der uns, als der gute Hirte, leitet. Wir sind nun nicht mehr allein und einsam und müssen uns deshalb nicht auf Gedeih und Verderb an Menschen oder Ideale binden oder alles von unseren Fähigkeiten erwarten.

Wir müssen uns und anderen deshalb nichts mehr vormachen und müssen uns auch von anderen nichts mehr vormachen zu lassen. Wir können uns so annehmen, wie uns Gott geschaffen und gewollt hat.

Wir können die Menschen mit Gottes Augen sehen und, trotz aller ihrer Unzulänglichkeiten lieben, Nachsicht zeigen und vergeben. Und wir dürfen auch uns vergeben lassen.

Und Gott kann es schenken, dass wir ein klein bisschen etwas von den Idealen
verwirklichen können, die auch von den Menschen geschätzt werden.

Deshalb wollen wir uns therapieren lassen bzw. in der Therapie bleiben, die uns für das ewige Leben gesunden lässt.

Jörgen Bauer