„Kinder des Zorns“ – das klingt nach einer finsteren Sekte oder nach Menschen, die ganz offensichtlich auf der falschen Seite stehen. Aber die Bibel meint damit nicht eine kleine, besonders böse Gruppe, sondern spricht von uns allen. In Epheser 2 schreibt Paulus, dass wir „von Natur Kinder des Zorns“ waren – also Menschen, deren Lebensrichtung mit Gottes gutem Willen kollidiert. Kinder lernen von dem, mit dem sie leben. „Kinder des Zorns“ heißt: Wir sind hineingeboren in ein System von Misstrauen, Selbstzentrierung, gegenseitiger Verletzung – und das betrifft nicht nur „die da draußen“. Wir Christen machen sogar aktiv mit, oft ohne es selbst zu merken.
Es geht nicht nur um „getrennt sein von Gott“, als wäre das ein neutraler Zustand. Es geht darum, dass unser Denken, Fühlen und Handeln von Kräften geprägt ist, die Gottes Art widersprechen – und dass wir uns dabei oft noch im Recht fühlen.
Die Bibel zeichnet „Kinder des Zorns“ zwar nicht als hoffnungslose Fälle, aber als Menschen, die in einer falschen Erziehung stehen. In Epheser 2 werden drei Lehrer genannt. Einmal „Lauf dieser Welt“ oder auch bekannt als „Geist der Zeit“. Dann den „Fürsten der Macht der Luft“, womit dunkle geistliche Mächte gemeint sind. Als dritten Lehrer finden wir „Begierden unseres Fleisches“, übersetzt in heutige Worte mit „unsere eigenen ungezügelten und ungehemmten Wünsche“.
Wir sind nicht unbeschriebene Blätter. Wir sind Kinder, die „ich zuerst“ gelernt haben. Harmlose Beispiele gefällig? Ich erzähle die Geschichte so, dass ich gut dastehe. Ich ziehe mich zurück, statt mich verletzlich zu machen. Oder ich segne meine Pläne und nenne sie „Gottes Willen“. Hart ausgedrückt, ich richte andere, um mich selbst zu entlasten.
„Zorn“ meint hier nicht Gottes Launenhaftigkeit. Damit ist gemeint, dass Gott konsequent ablehnt, was zerstört oder blockiert. Gott ist nicht kalt, sondern so sehr der Liebe verpflichtet, dass er das, was Menschen kaputt macht, nicht einfach stehen lässt. Kinder des Zorns sind Menschen, deren Lebensmuster sich gegen dieses Konzept der Liebe Gottes stellen – oft unbewusst, manchmal fromm getarnt.
Wir kennen die richtigen Begriffe, Liturgien, Traditionen. Doch die Bibel zeigt uns immer wieder Gottes Volk als Menschen, die Gott mit religiöser Sicherheit verfehlen und die vermeintlichen Gottlosen sind mit ihrem Handeln Gott näher. Die Propheten klagen Opfer an, die äußerlich korrekt sind, aber innerlich leer. Jesus begegnet Menschen, die die Schrift auswendig können – und doch Gott verfehlen, weil sie nicht sehen wollen, wie er wirklich ist.
So können wir mitten im kirchlichen Betrieb Kinder des Zorns sein. Menschen, die ihre eigenen Vorstellungen verteidigen, aber kaum Raum lassen, dass Gottes Wort uns wirklich widerspricht und umkehrt.
Dazu kommt, dass viele unserer Bilder für heutige Menschen ihre Anschlussfähigkeit verloren haben. Wir reden vom „Lamm Gottes“, vom „Blut Jesu“, vom „Zorn Gottes“, „Jesus liebt dich“ – und fühlen uns geistlich tief. Aber viele hören nur religiöse Fremdwörter oder Trigger. Nicht, weil sie dümmer wären, sondern weil wir verlernt haben, zu übersetzen, zu erklären und selbst neu zu hören.
„Kinder des Zorns“ sind dann nicht nur diejenigen, die Gottes Wege ignorieren. Sondern auch die, die so sehr an ihren Bildern hängen, dass sie nicht mehr merken, wie weit ihre Innenwelt von Gottes Herz entfernt ist – und wie viele Menschen sie mit dieser Sprache verlieren.
Die Bibel bleibt nicht beim Befund stehen. Direkt nach der Diagnose kommt das „Aber Gott“. Gott – reich an Barmherzigkeit – macht lebendig, was tot ist, und holt Kinder des Zorns in eine neue Familie. Das Überraschende: Er tut das nicht auf die „kluge“ Art, wie wir sie wählen würden – mit Druck, Kontrolle oder perfektem System –, sondern durch etwas, das nach menschlichen Maßstäben ziemlich töricht aussieht: ein gekreuzigter Erlöser.
Genau das meint Paulus, wenn er schreibt, dass die „Torheit Gottes“ weiser ist als die Menschen sind. Gottes scheinbar schwacher Weg der Liebe ist klüger als all unsere Versuche, uns selbst zu retten: durch Moral, Leistung oder perfekte Kirche.
Seine Barmherzigkeit entlarvt, ohne zu vernichten. Sie nimmt uns die Maske der eigenen Klugheit ab und ruft uns zurück zu Jesus – dem einzigen Kind, das Gottes Willen wirklich verkörpert. Wer sich von ihm neu erziehen lässt, bleibt zwar fehlbar, aber nicht mehr Kind des Zorns, sondern Kind der Barmherzigkeit. Und genau darin liegt die „göttliche Torheit“. Gott gibt Menschen wie uns nicht auf, sondern geht mit seiner Liebe nach.
Vielen Dank fürs Lesen!
Dein Peter
Denn was an Gott töricht erscheint, ist weiser als die Menschen, und was an Gott schwach erscheint, ist stärker als die Menschen.
1.Korinter 1, 25








