Jeder von uns lebe so, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten und zur Erbauung.

Römer 15, Vers 2

Das ist eine Aufforderung, die man ganz tief verinnerlichen sollte, damit sie unser ganzes Denken und Handeln bestimmt. Diese Aufforderung liegt voll auf der biblischen Linie, in der es um Nächstenliebe und das gegenseitige Annehmen geht.

Von Natur aus fällt uns das sehr schwer, weil wir geneigt sind in unseren Mitmenschen zuallererst Konkurrenten zu sehen. Was unbekannt ist, und das gilt auch für Menschen, die uns fremd sind, wird zudem ganz automatisch als “Bedrohung” wahrgenommen.

Das heißt, man ist “vorsichtig”, solange man nicht weiß mit wem oder was man es zu tun hat. Ein Verhalten, das man auch bei Tieren beobachten kann.

Man könnte das “entwicklungsgeschichtlich” deuten. Danach war nur überlebensfähig und konnte diese Neigung vererben, der in einer feindlichen Umgebung, wo einer den anderen frisst, Vorsicht walten ließ und sich keine Blößen gab. Und diese “steinzeitliche Grundhaltung” haben wir dann mit in unsere Zivilisation übernommen, so die Lehre.

Als Christ sage ich dazu, dass solches Verhalten eine Folge der gefallenen Schöpfung ist, und ganz ehrlich gesagt, können wir auf diese vorsichtige Grundhaltung auch gar nicht verzichten, wenn wir in unserer gottfernen Welt überleben wollen.

Aber wie ist das nun mit der Aufforderung des heutigen Verses? Hier ist die Rede von dem Nächsten, dem wir gefallen sollen. Aber wer ist unser Nächster? Das ist, ohne Ansehen der Person, jede Person, die unsere Wege kreuzt und dem wir zum Nächsten werden sollen.

Wir sollen dazu kommen, dass wir hinsichtlich unserer Mitmenschen nicht zuerst das vermeintliche Gefahrenpotential sehen, sondern das Positive suchen und wahrnehmen. Also nicht die Schwachstellen sehen, sondern das bestätigen und unterstreichen, was er an Stärken hat. Wir sollen uns zudem so verhalten, dass auch der andere in uns keine potenziellen Gegner, sondern Menschen sieht, die ihm wohlwollend gesonnen sind.

Jemanden aufzubauen ist mit das Schönste, was man tun kann. Das Gegenteil zu tun, ist mit Mord gleichzusetzen.

Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die mir als nicht sehr vertrauenswürdig erschienen, plötzlich auftauten und gesprächig wurden, wenn man sie spüren ließ, dass man sich, in menschlicher Hinsicht, für sie interessiert. Da wurden mir dann schon Familiengeschichten erzählt.

Im umgekehrten Sinne könnte ich mir vorstellen, dass Menschen bei Behörden Lügen und Tricksen, wenn man sie abweisend behandelt und vorab verdächtigt und damit genau das tun, dessen man sie verdächtigt.

Deshalb gilt auch für solche Situationen der heutige Vers.

Jörgen Bauer