„Denke ich an Deutschland…“ , so beginnt das berühmte Stück „Nachtgedanken“ von Heinrich Heine. Aber so schlimm, wie damals ist es nicht. Deutschland glänzt äußerlich – wirtschaftlich ist Deutschland 2023 zur drittstärksten Nation der Welt geworden und ist 2024 wieder drittstärkste Wirtschaftsmacht. Mit einer Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) so hoch, wie noch nie zuvor in der Geschichte Deutschlands. Auch im Bereich der Forschung und Entwicklung (F&E) ist Deutschland ein globaler Spitzenreiter. F&E und die Anzahl an Patentanmeldungen sind wichtige Indikatoren für die Innovationsleistung eines Landes. Durch die Handelsabkommen (EU-Binnenmarkt, EU-Abkommen) profitiert Deutschland wie keine andere Nation und zieht daraus die Wirtschaftsleistung mit Arbeitsplätzen und den derzeitigen Wohlstand.
Es ist schade, dass seit vielen Jahren das eigene Land in Dauerschleife schlechtgeredet wird, schlechte Stimmung verbreitet und so am Baumstamm gesägt wird, der uns gut leben lässt. Deutschland ist nämlich sehr gut aufgestellt. Hat Kraft und ist außerdem ein schönes Land.
Doch geistlich? Eine Wüste. Armselig geworden. Der Glaube an Jesus Christus nimmt ab, Kirchen und der christliche Glaube verlieren an Relevanz. Laut einer Allensbach-Studie im Auftrag von PRO glauben nur noch 28 % an Jesus Christus als Sohn Gottes. Und der Glaube an Auferstehung (18%) oder an das jüngste Gericht (13%)? Für die Mehrheit nicht mehr relevant. Viele haben vergessen, wer der Geber des Wohlstands und des Gelingens ist.
Die Kirche verliert an Bedeutung – aber nicht allein, weil „die da oben“ versagt hätten. Die Wurzeln dieses Bedeutungsverlusts liegen viel tiefer: Die Entwicklungen des letzten Jahrhunderts – wachsender Wohlstand, technischer Fortschritt und radikale Individualisierung – haben dazu beigetragen, dass Gott in unserer Gesellschaft eine immer geringere Rolle spielt.
Doch mitten in dieser Entwicklung stellt sich eine unbequeme Frage an uns Christen: Haben wir zu lange geschwiegen, während andere laut wurden? Haben wir das Evangelium auf eine Weise verkündet, die Köpfe belehren wollte, aber die Herzen nicht erreichte? Fehlte eine zeitgemäße Kreativität in Form und Sprache, um die Neugier der Menschen für Gottes Wort zu entfachen?
Statt Licht und Salz zu sein, haben wir uns oft angepasst oder zurückgezogen. Und so wurde die entstandene Lücke nach und nach gefüllt. Mit Ideologien, Meinungen, Machtansprüchen. Und genau hier beginnt der Kulturkampf – auch unter dem Kreuz.
Zwischen Kreuz und Kulturkampf – wenn Christen sich verirren
In einer Gesellschaft, in der die eigene Wahrheit oft über der objektiven Wahrheit steht, geraten auch Christen in einen Sog.
Seit einigen Jahren gibt es in unserer Gesellschaft einen politischen Kulturkampf. Und manche Christen unterstützen Parteien oder engagieren sich aktiv. Es ist gut und wichtig, wenn Christen sich politisch engagieren. Aber wehe, wenn dieses Engagement zur Spaltung führt oder bei Zeit und Geld derart Raum gewinnt, dass Christus und sein Auftrag vom ersten Platz im Leben verdrängt werden. Wenn parteipolitische Loyalitäten wichtig werden und Argumente so gesammelt werden, dass die zugehörige Ideologie bestätigt wird, dann gehen Sinn und Auftrag eines Christen verloren. Zur Erinnerung: Salz und Licht sein, in dem Umfeld, in dem man steht.
Wenn laute Stimmen Wahrheit umzudeuten und tragende, bewährte Ordnungen infrage zu stellen, ist es an uns Christen, wachsam zu bleiben, zu prüfen – und zu reden. Denn Gottes Werte und Ordnungen für Gemeinschaft und Schöpfung sind nicht verhandelbar. Es ist auch naiv, wenn man sich von z.B. „christliche Werte“ oder einem vertretenen „traditionellem Familienbild“ den Blick vernebeln lässt und großzügig ein schlechtes Gedankengut oder einen schlechten Geist ignoriert, der u.a. Gewalt und Unterdrückung zum Wesen hat. Dann sind christliche Aussagen nur ein Kleid, um Menschen für sich zu gewinnen und zu verführen. So wie eine Möhre, die man dem Esel hinhält, damit er danach schnappt und die Karre mit dem Mist hinter sich herzieht.
Es ist besorgniserregend, wenn Menschen an Einfluss gewinnen, die alte Fehler der Geschichte wiederholen. Indem sie behaupten, besser als Gott zu wissen, was richtig und wahr ist und welcher Weg einfach und richtig ist. Sie zerstören gewachsene Ordnungen. Aber wir haben einen Gott der Ordnung und nicht Unordnung. In solchen Zeiten dürfen wir Christen nicht tatenlos zusehen.
Doch der Kulturkampf, der Christen auseinanderbringt, ist nicht nur politischer Natur. Er kann auch leise, aber tiefgreifend sein. Es ist der Kampf um die Wahrheit: Was gilt noch als verbindlich? Ist die Bibel Gottes Wort oder nur ein kulturelles Dokument? Es ist der Streit zwischen Bibeltreue und Zeitgeist-Anpassung, zwischen mutiger Verkündigung und vorsichtiger Selbstzensur. Auch Themen wie Sexualethik, Gender, Wohlstand oder Lebensstil entzünden Spannungen: Wie viel Komfort passt zur Nachfolge? Wie begegnen wir Identitätsfragen, ohne das Evangelium zu verwässern? Und schließlich: Wollen wir noch missionarisch leben – oder nur geistlich gepflegt überleben? Sind unsere Gemeinden eher wie eine Rettungsstation oder wird sie eher wie ein Freizeithaus genutzt?
Diese inneren Kämpfe zeigen: Der eigentliche Riss verläuft nicht nur zwischen „uns“ und „denen da draußen“, sondern mitten durch unsere christlichen Reihen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns neu auf Christus ausrichten – und auf das, was wirklich zählt.
Die Bibel ruft uns dazu auf, „alles zu prüfen und das Gute zu behalten“ (1. Thessalonicher 5, 21). Wir sollen unsere Stimme erheben – nicht im Zorn, sondern mit Klarheit und Liebe. Denn Gott hat uns in seinem Wort gezeigt, wie gerechtes Miteinander aussieht und wie wir seine Schöpfung bewahren sollen. Wenn wir das verschweigen, helfen wir mit, dass die Lüge sich ausbreitet.
Was tun in einem Land, das wie die Wüste ist?
Was tun, wenn die geistliche Landschaft verdorrt? Wenn Herzen müde geworden sind und Kirchen leerer als früher? Dann braucht es nicht mehr Lärm, sondern mehr Liebe. Kein reflexartiges Dagegensein, keine rechthaberische Härte – sondern Menschen, die mit Leidenschaft und Klarheit von Jesus reden.
Gott hat schon einmal durch einen Propheten zu toten Knochen gesprochen (Hesekiel 37) – und sie wurden lebendig. Warum soll heutzutage nicht auch wieder eine Erweckung möglich werden? Glaubst du daran, dass es möglich ist? Glaubst du, dass Gott dich gebrauchen kann? Stellst du dich ihm vollständig zur Verfügung?
Fangen wir doch einfach mal an:
- Reden wir wieder von Jesus – nicht aufdringlich, aber ehrlich, mutig, leidenschaftlich.
- Leben und reden wir so, dass unsere Hoffnung mehr sagt als tausend Argumente.
- Stehen wir auf, wenn Destruktives sich breitmacht – nicht aus Angst oder Trotz, sondern aus Verantwortung und Treue.
- Und vor allem: Beten wir. Denn jede geistliche Erweckung und echtes Leben beginnt im Verborgenen, dort wo Gottes Geist weht.
Die Wüste ist nicht das Ende. Sie kann blühen – wenn Gottes Wort gesprochen wird. Es ist nicht zu spät für Deutschland, nicht für die Gemeinden und nicht für dich oder mich. Wir können immer noch etwas tun.
Wenn Christen wieder klar sagen: Christus ist unser Maßstab, nicht der Zeitgeist – dann wird wieder Orientierung möglich. Wir sind nicht dazu berufen, mitzulaufen oder nachzuplappern, was gerade „gut ankommt“. Wir sind berufen, um zu leuchten.
Jesus hat gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Und nicht: „Ihr seid die Lautsprecheranlage für andere.“
Licht stellt Fragen zur Korrektur, tröstet, warnt, wärmt – aber vor allem: Es bleibt nicht verborgen.
Ihr
Munir Hanna
für das Evangeliumsnetz e.V.