Jesus Christus ist Gott, der Mensch wurde, um die Menschheit zu erlösen. Wenn wir sagen, Jesus sei der Sohn Gottes, meinen wir: Gott ist in diese Welt gekommen und hat das volle Menschsein geteilt – von der Geburt in Bethlehem über Kindheit und Freundschaften bis hin zu Freude, Leid und Tod. Und doch blieb er zugleich ganz Gott. Paradox? Ja. Aber genau das ist das Herz des christlichen Glaubens: In Jesus begegnet uns Gott selbst – nah, verletzlich, liebevoll.
Um das greifbarer zu machen: Stell dir vor, ein Weltstar – ein Rockstar oder Fußballprofi – steht plötzlich in deiner Küche, frühstückt mit dir und lebt für eine Zeit ganz normal mit euch, bevor er später wieder auf die große Bühne geht. So ähnlich ist es mit Jesus: Gott steigt zu uns herab, teilt unser Leben, ohne aufzuhören, Gott zu sein.
Und an diesem Verständnis der Menschwerdung Gottes gibt es Kritik, die ich nachfolgend versuche zu erklären und zu beantworten.
Einer der wichtigsten Einwände ist philosophischer Art und beschreibt das theologische Problem, wie die göttliche und die menschliche Natur in einer Person – Jesus Christus – vereint sein können, da ihre Eigenschaften (wie Allmacht und Sterblichkeit) als unvereinbar erscheinen.
Als Antwort auf diesen Widerspruch werden die Trinitätslehre und die Zwei-Naturen-Lehre genannt. Die Zwei-Naturen-Lehre besagt, dass Jesus sowohl „wahrer Gott als auch wahrer Mensch“ ist. Die beiden Naturen, die göttliche und die menschliche, existieren dabei in einer Person, ohne sich zu vermischen oder getrennt zu sein. Dieser Zustand wird als ein Mysterium des Glaubens bezeichnet, das sich nicht mit reiner Menschen-Logik erklären lässt.
Ein theologischer Einwand kommt aus dem Islam und dem Judentum. Dort wird die Vorstellung der Inkarnation (Gott wird Mensch) abgelehnt. Man argumentiert, dass eine Menschwerdung Gottes seine absolute Transzendenz und Einzigartigkeit herabsetzen würde. Transzendenz bedeutet, dass Gott außerhalb der Erfahrungs- und Wahrnehmungswelt der Menschen steht. Er ist also nicht Teil der Schöpfung, sondern steht darüber. Diese Inkarnation wird als eine Form von Polytheismus angesehen.
Die christliche Theologie erklärt die Inkarnation als einen Akt der Liebe und Demut Gottes. Durch die Menschwerdung in Jesus verliert Gott seine Erhabenheit nicht, sondern begrenzt (Kenosis bzw. Entäußerung) sich selbst freiwillig, um sich den Menschen zu offenbaren und sie zu retten.
Dann gibt es noch den historischen Einwand, den Historiker und Religionswissenschaftler vorbringen. Sie weisen darauf hin, dass die Lehre von der Inkarnation erst in den ersten Jahrhunderten nach Christus entwickelt und festgelegt wurde. Es sei fraglich, ob das tatsächlich dem ursprünglichen, historischen Jesus entspricht.
Auch wenn die offizielle Lehre von der Menschwerdung Gottes erst später festgelegt wurde, finden sich ihre Grundlagen schon in den ältesten Bibeltexten – besonders in den Briefen des Paulus und in den Evangelien. Ein Beispiel ist Johannes 1,14: „Er, das Wort, wurde Mensch und lebte unter uns.“ Die späteren Konzilien haben diese Aussagen aus den neutestamentarischen Schriften nur genauer formuliert und gegen falsche Auslegungen verteidigt.
Manchmal wird ein moralischer Einwand oder der Gerechtigkeitseinwand vorgebracht. Hier fragen die Kritiker, warum Gott nicht einfach auf andere Weise vergeben konnte, anstatt diese komplexe und scheinbar gewaltsame Methode des Sühneopfers zu wählen. Die Vorstellung, dass ein unschuldiger Gott sterben muss, um die Sünden der Menschheit zu tilgen, wird von einigen als moralisch fragwürdig und ungerecht empfunden.
In der christlichen Theologie ist der Tod Jesu aber nicht nur ein Sühneopfer, sondern vor allem der tiefste Ausdruck von Gottes Liebe. Jesus stirbt nicht, weil Gott Rache fordert, sondern weil die Trennung zwischen Gott und Mensch durch die Sünde so groß und so unvorstellbar schlimm ist, dass nur eine radikale Tat diese Kluft überwinden konnte. Die Grausamkeit ist nur deswegen, weil die Menschen die Bedeutung der Sünde vermutlich sonst nicht verstehen würden. Aber sein Tod am Kreuz ist der Sieg über Sünde und Tod – der entscheidende Schritt, der eine neue, unzerstörbare Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen eröffnet hat.
Das bedeutet: Gottes Macht wurde greifbar, seine Liebe spürbar, seine Worte hörbar. Er wurde nicht nur Mensch zum Zuschauen – er lebte unsere Höhen und Tiefen durch, im Handgemenge dieser Welt. Jesus hat wirklich Schmutz an den Füßen gehabt, den Kopf voller Sorgen, Hungerlitzen gespürt. Er war ganz real – mit allem Drum und Dran.
In Philipper 2, 6–8 beschreibt Paulus Jesus so:
„Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst […] und wurde wie ein Mensch.“
Hier wird’s klar: Gott wurde nicht weniger Gott, als er Mensch wurde – sondern zeigte, wie sehr er Gott ist, indem er sich selbst hingab.
Die Bibel erzählt uns von einem Gott, der Beziehung will – und Beziehung lebt: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Nicht drei Götter, sondern ein Gott in drei Personen. Keine Mathematik, sondern ein Mysterium – für uns nicht logisch zu erklären. In Johannes 1 lesen wir:
Im Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott. Ja das Wort war Gott… Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.
Dieses „Wort“ – griechisch „Logos“ – ist mehr als eine Idee. Es ist Jesus. Gott spricht nicht nur – er kommt selbst. Der Sohn Gottes ist nicht ein zweiter, kleinerer Gott, sondern der Ausdruck Gottes in menschlicher Gestalt.
Der Begriff „Sohn“ ist dabei keine biologische Beschreibung, sondern eine Beziehungsaussage: So wie ein Sohn aus dem Vater hervorgeht, ohne ihm unterlegen zu sein, so geht Jesus aus dem Vater hervor – ewig, ohne Anfang und ohne Ende.
In der Antike war die Rolle des Sohnes von zentraler Bedeutung für die Identität und Zukunft der Familie. Anders als heute ging es dabei weniger um die persönliche Beziehung, sondern primär um die Fortführung der Familie. Der Sohn war der Träger der Familiengeschichte, des Erbes und des sozialen Status. Er stellte sicher, dass der Besitz und die Rechtsnachfolge der Familie gesichert waren. Wer keinen leiblichen Sohn hatte, griff oft zur Adoption, um die Fortführung der Familie zu gewährleisten. Die Rolle des Sohnes war somit entscheidend für die Unsterblichkeit und den gesellschaftlichen Stand der Familie.
Gott wollte Nähe. Er wollte nicht von oben auf uns schauen, sondern mit uns leben und uns helfen. Bei der Kreuzigung wird sichtbar: Gott übernimmt die menschliche Schuld, trägt sie selbst – um uns neuen Zugang zu einem Leben mit Gott zu schenken. Die Auferstehung zeigt: Tod hat nicht das letzte Wort. Wer an Jesus glaubt, darf auch in dunklen Momenten auf die Kraft von Ostern vertrauen.
Gott kam nicht durch Palasttüren, sondern durch eine schwangere junge Frau im Stall von Bethlehem.
Die Welt hat kein Weihnachtsmärchen gebraucht – sondern einen Retter, der von ganz unten kam, um auch die Schwächsten in der Gesellschaft mitzunehmen.
Jesus lebte nicht auf Distanz, sondern berührte Kranke, sass mit Außenseitern, widersprach den Mächtigen und zeigte: So ist Gott. Nicht fern, nicht hart, nicht kalt. Sondern voller Erbarmen, Wahrheit und Nähe.
Am Kreuz wurde die Liebe Gottes radikal sichtbar. Kein göttlicher Sicherheitsabstand, sondern echter Schmerz, echte Dunkelheit. Jesus starb nicht, weil er schwach war – sondern weil er stark genug war, die Schuld der Welt zu tragen.
Und dann? Der Tod verlor die Macht. Die Auferstehung ist nicht Symbol, sondern Sprengkraft: Jesus lebt – und mit ihm beginnt eine neue Wirklichkeit. Nicht nur im Jenseits, sondern schon hier: Hoffnung statt Angst, Versöhnung statt Trennung.
Mit Jesus Christus bekommt das Leben eine neue Perspektive und man kann aus den gesellschaftlichen Zwängen von Scham, Vergleich und stolze Selbstdarstellung ausbrechen. Jesus lädt ein: „Komm so, wie du bist!“ Es geht nicht zuerst um Erfolg, Image oder Leistung – sondern darum, geliebt zu sein. Und andere Menschen, weil auch sie liebenswert sind. In der Gemeinschaft mit ihm muss niemand perfekt sein und vorher Leistung gebracht haben.
Jesus Christus ist der Mensch gewordene Gott, unser Retter, Freund und Lebenshilfe – ganz real, mitten unter uns.
Ihr
Munir Hanna
für das Evangeliumsnetz e.V.