In den Märkten stapeln sich Ende Oktober Kürbisse, Plastikspinnen und Süßigkeiten – und irgendwo zwischen Gummivampiren liegt ein kleines Schild: „31.10. – Reformationstag“. Man könnte meinen, Luther und die Reformation sei heute nur das Vorprogramm für Halloween.
Aber hinter diesem Datum steckt mehr als Nostalgie oder Party. Es geht um eine Frage, die jede und jeden betrifft: Wie wird ein Leben echt erneuert – nicht als Deko, sondern von innen her? Oder, um Kant zu zitieren: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Mut braucht es – und Richtung. Genau darum ging es damals. Und genau das brauchen wir heute, weil ein Land und eine Gesellschaft sich von innen verändert. Sehnen wir uns nach Ordnung, Sicherheit und einer „christlichen“ Kultur, dann bringen es nicht die Politik, Gesetze und Polizeigewalt in die Herzen hinein. Es ist die Herzenshaltung, die die Frucht hervorbringt.
Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen. Er wollte keine neue Kirche erfinden, sondern Missstände benennen und zurück zu den Quellen – zu Jesus und zur Bibel – führen. Aus der Debatte wurde die Reformation („Erneuerung, geistige Umgestaltung, Verbesserung“): Gottesdienst in der eigenen Sprache, Bildung für alle, Gewissen vor Gott, nicht vor dem Markt oder der Meinung der Masse. Kein Wunder, dass das Pfeffer hat. Denn wer von der Freiheit des Gewissens redet, sagt gleichzeitig, dass es eine persönliche Verantwortung gibt.
Aber diese Reformation im 16. Jahrhunderts war nicht die erste und es blieb auch nicht bei dieser. Siehe dazu auch die Übersicht der Reformationen auf www.evangelium.de
Wenn also vereinzelt nach einer neuen Reformation gerufen wird, dann könnte es in heutiger Sprache die „Reformation 14.0“ werden.
Fast alle Bewegungen begannen innen – mit Buße, Gebet, Bibel, neuer Liebe zu Christus – und wirkten dann nach außen: in Gemeinde, Bildung, soziale Werke, Mission. Das bestätigt den Grundsatz: Erneuerung startet im Herzen und verändert das Umfeld.
Darum knüpfen wir bei der Reformation an: Martin Luther wollte nichts Neues erfinden oder eine neue Kirche gründen, sondern zum Evangelium zurückführen – zur Bibel, zur Gnade, zur Freiheit des Gewissens und zu Bildung für alle. Was bedeutet das inhaltlich, wenn Erneuerung tatsächlich im Inneren beginnt und nach außen wirkt?
Die Leitgedanken lassen sich in vier Linien bündeln:
Gnade und Vertrauen statt Leistung: Menschen werden vor Gott nicht durch fromme Punkte oder moralische Bestlisten „gerecht“, sondern durch Vertrauen auf Jesus Christus. Paulus schreibt: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Römer 1, 17) und „aus Gnade seid ihr gerettet durch den Glauben – nicht aus euch“ (Epheser 2, 8-9). Das befreit von religiösem und moralischem Druck.
Die Bibel als Maßstab: Nicht Tradition oder Gefühl hat das letzte Wort, sondern die Heilige Schrift (2.Timotheus 3, 16). Deshalb übersetzte Luther die Bibel – damit Menschen selbst prüfen können und sich nicht manipulieren oder aufhetzen lassen.
Priestertum aller: Die Gemeinde ist kein Zuschauerkonzert. „Ihr seid… ein königliches Priestertum“ (1.Petrus 2, 9). Jeder Christ hat Verantwortung für seinen Glauben und seinen Nächsten.
Erneuerung beginnt innen: Jesus ruft zur Umkehr (Markus 1, 15). Er fragt erst nach dem Balken im eigenen Auge (Matthäus 7, 3-5), bevor wir den Splitter beim anderen suchen. Paulus sagt: „Lasst euch verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes“ (Römer 12, 2). Erst das eigene Herz, dann das Umfeld.
Reformation und Halloween
Was hat die Reformation mit Halloween zu tun? Gehen wir dazu kurz in die Geschichte zurück. Halloween geht auf das keltische „Samhain“ zurück – das Ende der Erntezeit. Später wurde daraus der Abend vor Allerheiligen („All Hallows’ Eve“). Allerheiligen ist der 1. November. An Allerheiligen wurden zur Zeit Luthers in der Schlosskirche in Wittenberg die berühmten Reliquien gezeigt. Dafür kamen viele Gäste in die Stadt. Man kann sich einen Rummel vorstellen, wie wir es heutzutage mit Weihnachtsmarkttourismus erleben. Der Aushang bzw. die Veröffentlichung der 95 Thesen am 31.10., also dem Vorabend von Allerheiligen, wurde von Martin Luther strategisch gewählt, um maximale Sichtbarkeit und eine theologische Einladung auszusprechen.
Mit den Auswanderern aus Europa kam der Brauch in die USA und wurde dort sehr stark verändert und kommerzialisiert: Kostüme, Deko, Süßigkeiten – ein Milliardenmarkt und hat inzwischen kaum mehr etwas mit dem Ursprung zu tun. Die Inhalte rückten in den Hintergrund. Dazu kam eine Grusel-Ästhetik mit Skeletten, Zombies und „Haunted Houses“ – meist ein Schau-Spiel ohne religiöse Absichten. Anthropologen sprechen hier von einem „Ritual der Verkehrung“. D.h., man spielt mit dem Unheimlichen, um es zu bändigen und seine Angst vor den dargestellten Figuren und Szenen zu kontrollieren.
Zugleich gibt es kleine, aber reale okkulte Nischen – Szenen aus Esoterik und Spiritismus, die am 31. Oktober bewusst Rituale anbieten. Das ist nicht die breite Masse, gehört aber zur Landschaft dieses Datums dazu.
Kinder in z.B. Kürbiskostümen verehren nichts. Aber wenn Symbole, Inhalte oder Events gezielt Okkultes normalisieren (Beschwörungen, Hexerei, „echte“ Rituale), ist Distanz klug und nötig. Maßstab ist nicht die Dekoration, sondern die Praxis und der Gedanke dahinter.
C. S. Lewis warnte vor zwei Fehlern in Bezug auf das Böse: entweder es gar nicht ernst nehmen oder ihm übermäßig viel Aufmerksamkeit schenken. Die Bibel rät uns beides zu vermeiden:
- Kein Flirt mit Finsternis: „Beteiligt euch nicht an den unfruchtbaren Werken der Finsternis“ (Epheser 5, 11).
- Freiheit mit Verantwortung: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten“ (1.Korinther 10, 23).
- Was nährt das Herz?: „Was wahr, edel, gerecht, rein… darauf seid bedacht“ (Philipper 4, 8).
Halloween hat Wurzeln in alten Bräuchen, für viele ein Vergnügen – vor allem sorgt es für klingelnde Kassen. Die Reformation erinnert uns zugleich: Furcht hat nicht das letzte Wort. Die Bibel sagt immer wieder „Fürchtet euch nicht“. Feiert also ohne Angstkult. Mit Laternen, die Licht markieren und Gesprächen darüber, was wirklich trägt, wenn es dunkel um uns herum wird. Denn Erneuerung beginnt innen (Römer 12, 2; Markus 1, 15). Nicht der Kalender heiligt uns, sondern Christus. Leben wir seine Werte – Wahrheit, Barmherzigkeit, Freiheit des Gewissens – findet das Äußere seinen Platz. Dann überlagert Halloween nicht das Evangelium, wir überstrahlen Halloween mit Licht.
Faustregeln für einen klaren Weg am 31. Oktober
- Gewissenstest: Macht das, was wir tun, Gott kleiner oder größer in unserem Herzen? (Römer 14, 22–23)
- Inhalt vor Hülle: Kostüm/Umzug nur, wenn keine Grenze zur Verherrlichung von Gewalt, Grausamkeit oder Okkultem überschritten wird.
- Sprache der Hoffnung: Wenn ihr mitmacht, setzt Kontrapunkte – Licht, Freundlichkeit, Gastfreundschaft (Johannes 1, 5).
- Kinder stark machen: Erklärt in einfachen Worten: Angst ist kein Spielleiter. Sprecht über Reformation/Allerheiligen: Gnade, Freiheit, Nächstenliebe.
- Alternativen bieten: „Licht- oder Reformations-Abend“, Nachbarschaftsaktion, Spenden statt Splatter, Laternen statt Dämonen.
- Grenzen akzeptieren: Wenn etwas euer Gewissen drückt – lasst es. Freiheit heißt auch „Nein“ sagen und verzichten (Galater 5, 1 + 13).
Lebendige Reformation
Reformation ist kein Museumsstück, sondern eine Einladung zur Erneuerung. Dietrich Bonhoeffer warnte vor „billiger Gnade“ – einer Gnade ohne Umkehr und Nachfolge:
Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abendmahl ohne Bekenntnis der Sünden, … Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus.
Dietrich Bonhoeffer (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg)
Echte Gnade ist gratis, aber nie billig, weil sie Menschen verändert. Darum beginnt Erneuerung im Herzen – mit einem neuen Denken, mit Vertrauen auf Christus – und zeigt sich dann sichtbar: in wahrhaftigem Reden, verlässlichen Zusagen, barmherzigem Handeln, in Zivilcourage und praktischer Nächstenliebe. Feste dürfen Freude machen, aber sie stehen nie über Menschenwürde, Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit. Micha 6, 8 fasst es schlicht: Recht tun, Liebe üben, demütig mit Gott gehen.
Wer so lebt, wird zum „Wohlgeruch“ für seine Umgebung – spürbar wie ein guter Duft: erfrischend, entlastend, ansteckend. Die Bibel greift genau dieses Bild auf: „Wir sind ein Wohlgeruch Christi“ (2.Korinther 2, 15). Wer in der Liebe geht, „wandelt in der Liebe … zum lieblichen Geruch“ (Epheser 5, 2). So wird sichtbar, dass Erneuerung nicht im stillen Herzenskämmerlein und bei Gefühlen stehen bleibt, sondern konkrete gute Taten hervorbringt (vergleiche auch Jakobus 2, 17) – Taten, die Beziehungen heilen, Nachbarschaften stärken und dem Miteinander guttun.
Genau hier hat der Reformationstag seine Gegenwart: Er erinnert uns, unser Inneres von Gott verändern zu lassen, damit es im Äußeren zum Segen wird.
Es grüßt Sie
Munir Hanna
für das Evangeliumsnetz e.V.
Ergänzend:





