Nicht dass wir kein Recht auf eure Hilfe gehabt hätten, nein, wir wollten euch ein Vorbild sein, damit ihr uns folgt. Denn schon als wir bei euch waren, haben wir ausdrücklich gesagt: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“

2. Thessalonicher 3, 9-10

Können solche Bibelstellen, wie sie hier verkürzt in der Überschrift verwendet wurde, genutzt werden, um die Abschaffung oder Einschränkung von z.B. Sozialhilfe, Hartz 4, Flüchtlingshilfe oder Bürgergeld zu rechtfertigen? Oder als schlagendes Argument, um Menschen zur Arbeit zu zwingen?

Es ist wie immer: man pickt sich aus einem Gesamtbild den Teil heraus, der einem in den Kram passt und blendet alles aus, was zum Kontext dazugehört. Egal, ob es um die Bibellese, den Nachrichten oder um die Politik geht. Man freut sich über zwei Dinge, die – menschlich gesprochen – einem aus dem Herzen sprechen und ignoriert hundert andere Dinge, die den christlichen Werten total entgegenstehen, aber im gleichen Paket mit den beiden angenehmen Punkten daher kommen. Das ist eine Taktik des Teufels: etwas Begehrliches und Verführerisches wird angeboten. Wer sich darauf einlässt, bekommt es zwar, aber man bekommt einen ganzen Sack Dämonen mit dazu und holt sich zigfach unerwünschtes herein. Es führt insgesamt nicht zum Guten, auch wenn das Gute beabsichtigt war.
Was einem begegnet, zu prüfen und dann das Beste davon zu behalten, kann den wahrheitsliebenden Menschen, der Jesus folgen möchte, zu unbequemen Veränderung bei liebgewonnenen Positionen führen. Aber so sollte es auch sein, wenn jemand es ernst mit seiner Nachfolge meint.

Schauen wir uns doch mal den Zusammenhang der Bibelstelle an: Wer sich mit der Gemeinde in Thessaloniki beschäftigt hat, wird sich vielleicht erinnern, dass die Gemeinde in Thessaloniki immer wieder in Bedrängnis gebracht wurde. Die Bewohner der Stadt waren meist zugewanderte Menschen aus verschiedenen Regionen und Kulturen. Heute würde man sagen „sie sind nicht von hier“. Haben sich jedoch miteinander arrangiert und etabliert. Nun kam mit Paulus ein Missionar, der eine Botschaft brachte. Diese neue Lehre von Jesus störte einige Menschen in ihrer Ruhe. Es war leicht, die Stadtbewohner aufzuwiegeln. Sie zogen vor der gerade erst entstandenen christlichen Hausgemeinde und schleppten deren Mitglieder vor den Oberen der Stadt, um sie abzuurteilen, zu bestrafen und zu entfernen.
Aber die Gemeinde blieb treu und wurde gesegnet. Doch innerhalb der Gemeinde gab es Stimmen, die Paulus unterstellten, er würde seine Missionsreisen und Predigten nur des Geldes oder des Lebensunterhaltes wegen machen. Paulus wurde in die Nähe der damals auftretenden professionellen Rhetorikern und Wanderpredigern gebracht. Aber Paulus betont immer wieder, auch in diesem Brief an diese Gemeinde, dass er mit harten und nicht mit schmeichelnden Worten gekommen sei und dass er und seine Begleiter alles getan hätten, um der Gemeinde nicht zur Last zu fallen.

In diesem Zusammenhang, fast als Schlusswort des Thessalonicherbriefs, wird auf eine kleine Personengruppe innerhalb der Gemeinde gleich zweimal (siehe auch 3.Kapitel) hingewiesen und die Gemeinde ermahnt, es nicht zu dulden, wenn Christen sich dem Müßiggang hingeben. Dieses Wort muss in heutiger Zeit näher erklärt werden. „Müßiggang“ bedeutet in diesem Zusammenhang „Faulheit“ bzw. ungeregelter Tagesablauf, der unproduktiv und nicht nützlich verbracht wird. Paulus nennt sich und seine Begleiter als Beispiel, die sich durch harte Arbeit selbst versorgt und finanziert haben und der Gemeinde in Thessaloniki nicht zur Last fallen wollten. Paulus fordert auf, seinem Beispiel zu folgen und als Christen nicht anderen Christen zur Last zu fallen.

Munir Hanna